Total digital? Wie Jugendliche Kompetenzen im Umgang mit neuen Technologien erwerben
- Handlungsfeld
- Digitale Transformation
- Bildungsabschnitt
- Schulische Bildung/Schulbildung
Thema
Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im Umgang mit digitalen Medien
Herausgeberschaft
Deutsche Telekom Stiftung
Erscheinungsort
Bonn
Erscheinungsjahr
2015
Stiftungsengagement
Deutsche Telekom Stiftung
Literaturangabe
Deutsche Telekom Stiftung (Hrsg.): Total digital? Wie Jugendliche Kompetenzen im Umgang mit neuen Technologien erwerben. Bonn 2015.
Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise
Hintergrund ist, dass die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland noch entwicklungsfähig sind. Die International Computer and Information Literacy Study (ICILS) 2013 war zu dem Ergebnis gekommen, dass Schülerinnen und Schüler der achten Klasse in Deutschland in diesem Bereich im Vergleich mit 20 weiteren Nationen nur mittelmäßig abschneiden.
In Deutschland nahmen 2.225 Kinder der achten Klasse aus 142 Schulen in allen 16 Bundesländern an der ICILS-Studie 2013 teil. Diese Daten bilden die Grundlage für eine vertiefende Auswertung, die durch die Deutsche Telekom Stiftung gefördert und von Prof. Dr. Birgit Eickelmann (Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Paderborn) und Prof. Dr. Wilfried Bos (Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der Technischen Universität Dortmund) durchgeführt wurde.
Im Mittelpunkt der vertiefenden Auswertung steht die Frage, welche Rolle die schulische und die außerschulische Medienwelt für Kinder und Jugendliche beim Umgang mit digitalen Medien spielt. Darüber hinaus wird aufgezeigt, in welchen Bereichen noch Entwicklungsbedarf im Hinblick auf eine umfassende Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern besteht bzw. konkrete Ansatzpunkte für die Praxis formuliert.
Alle Ergebnisse des Vertiefungsmoduls zu ICILS 2013 sind in der Langfassung der Studie zu finden unter: www.telekom-stiftung.de/icils.
Wichtige Ergebnisse
Folgende wichtige Befunde und Ansatzpunkte für die Praxis werden benannt:
1. Jugendliche nutzen Computer und Internet häufig außerhalb der Schule, und das häufig für die Kommunikation mit anderen oder zum Spielen – aber selten für bildungsbezogene Zwecke.
Ansatzpunkte für die Praxis:
- Interesse aufgreifen: Dieses Interesse sollten Schulen aufgreifen und die Vorkenntnisse, die Jugendliche bereits im Umgang mit digitalen Medien erworben haben, in den Unterricht integrieren.
- Attraktivitat digitaler Inhalte steigern: Im Unterricht sollten die Angebote an diese bestehenden Erfahrungen anknüpfen und zum Beispiel vernetzt oder mit spielerischen Elementen arbeiten. So könnten digitale Lerninhalte für die Schülerinnen und Schüler attraktiver werden – auch außerhalb der Schule.
- Geeignete Materialien schaffen: Damit das digitale Lernen jenseits des Unterrichts gelingt, müssten Jugendliche außerhalb der Schule einen besseren Zugang zu geeigneten Materialien bekommen. Denkbar wären hierfür cloudbasierte Lösungen oder Bildungsserver, von denen über das Internet entsprechende Inhalte abgerufen werden können.
2. Weder Schule noch Freundinnen und Freunde spielen bei der Kompetenzvermittlung eine große Rolle – die Jugendlichen helfen sich vor allem selbst.
Ansatzpunkte für die Praxis:
Die Nutzung digitaler Technologien und insbesondere der zielgerichtete und produktive Umgang damit werden als Kulturtechnik betrachtet, die in der Schule vermittelt werden muss. Nur so könnten auch Jugendliche aus bildungsferneren und sozioökonomisch weniger privilegierten Elternhäusern entsprechende Kompetenzen erlangen.
- Bereits in der Grundschule ansetzen: Der Umgang mit neuen Technologien und digitalen Informationen sollte bereits früh Bestandteil des Unterrichts sein, spätestens in der Grundschule. Nur dann könnten sich alle Schülerinnen und Schüler die entsprechenden Fähigkeiten von Beginn an im Rahmen einer kritischen und begleiteten Auseinandersetzung aneignen. Damit diese Auseinandersetzung erfolgreich gelingt, müssten auch die Lehrkräfte technisch und didaktisch entsprechend geschult sein.
- Kompetenzerwerb steuern: Es dürfe nicht darauf vertraut werden, dass sich alle Jugendlichen den Umgang mit neuen Technologien selbst beibringen. Dies würde nur zu einem im Schnitt mittleren Leistungsniveau und zu einer äußerst ungleichen Chancenverteilung führen. Deshalb müsse Schule digitale Kompetenzen viel umfänglicher und besser vermitteln als bisher.
- Lehrkräfte schulen: Die Nutzung neuer Technologien sollte stärker in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften berücksichtigt werden.
3. Jugendliche, die den Computer in ihrer Freizeit nutzen, sind damit im Umgang tendenziell kompetenter.
Ansatzpunkte für die Praxis:
Nicht alle Jugendliche hätten in ihrer Freizeit grundsätzlich Zugang zu modernen Technologien. Probleme bestünden hier vor allem bei Jugendlichen aus weniger privilegierten Elternhäusern oder Familien mit Migrationshintergrund.
- Alle Jugendlichen mitnehmen: Aus diesen ungleichen Voraussetzungen erwachse eine besondere Verpflichtung für die Schulen: Nur wenn sie benachteiligten Jugendlichen digitale Bildung ermöglichten, könne in diesem Punkt Chancengerechtigkeit erreicht werden.
- Leistungsspitze verbreitern: Die Schule könne auch Schülerinnen und Schülern, die den Computer in ihrer Freizeit bereits umfänglich nutzen, durch gezielten Einsatz von Computern zu Bildungszwecken wertvolle neue Anregungen geben. So könnte der Anteil der Jugendlichen auf der höchsten Kompetenzstufe noch ausgebaut werden.
- Digitale Bildung curricular verankern: Computerbezogene Kompetenzen eine fächerübergreifende Schlüsselkompetenz. Deshalb sollten sie verbindlich in Curricula und Rahmenpläne integriert und auch der außerschulische Umgang mit digitalen Medien mitbedacht werden, um das bereits vorhandene Interesse und bestehende Kompetenzen der Jugendlichen sinnvoll mit einzubeziehen.
Die Befunde der Studie weisen darauf hin, dass Jugendliche sich viele ihrer Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien außerhalb der Schule aneignen. Ein Fazit lautet, dass damit die Gefahr zunehmender Chancenungleichheit verbunden sei. Das deutsche Schulsystem könne aber nur dann leistungs- und zukunftsfähig sein, wenn es Integration durch Bildung unterstützt. Angesichts der Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche sei darum die institutionalisierte Vermittlung von Medienkompetenz eine Aufgabe von großer gesellschaftlicher Relevanz.
Daher sollten für die unterschiedlichen Akteure im Bildungssystem ein abgestimmtes und verbindliches Vorgehen bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen und die produktive Einbindung digitaler Medien in den Unterricht hohe Priorität haben: Dazu gehören verstärkte Kooperationen ebenso wie lernortübergreifende Konzepte und eine Aufwertung des außerschulischen Lernens.
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