Handlungsempfehlungen

Themendossier Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge

Thema

Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge

Herausgeberschaft

Robert Bosch Stiftung

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2016

Stiftungsengagement

Robert Bosch Stiftung

Literaturangabe

Robert Bosch Stiftung (Hrsg.): Themendossier Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge: Informationen erheben – Zugänge erleichtern. Stuttgart 2016.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Mit der im März 2015 einberufenen Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik unter Vorsitz von Armin Laschet (Fraktions- und Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen und ehemaliger Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen) hat die Robert Bosch Stiftung zehn hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammengebracht, um neue und konkrete Handlungsoptionen und Reformvorschläge zur deutschen Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Die Kommission versteht sich dabei als ein parteiübergreifendes und unabhängiges Gremium.

Im Themendossier „Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge“ werden die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten des Zugangs zu Arbeitsmarkt und Ausbildung für Geflüchtete sowie die noch vorhandenen Hindernisse dargestellt. Anschließend werden Reformvorschläge gemacht, wie der Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt für Flüchtlinge besser gestaltet werden könnte.

Wichtige Ergebnisse

Empfohlene Maßnahmen und Ziele

Informationserhebung und -bereitstellung:

1. Die Informationsgrundlage über die Bildungs- und Berufsqualifikationen von Flüchtlingen muss verbessert werden, um ihre Qualifikationen, Fähigkeiten und Fertigkeiten frühzeitig und umfassend zu erheben (mehrstufiges System, zentrale Datenplattform).

2. Das Institut für Arbeitsmarktforschung und Berufsbildung der Bundesagentur für Arbeit erhebt derzeit repräsentativ wissenschaftliche Daten zur beruflichen Situation (Qualifikation und Teilhabe) von Flüchtlingen. Die Daten werden in Kooperation mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung als separate Flüchtlingsstichprobe erhoben und ausgewertet. Dieses Vorhaben sollte verstetigt und als Längsschnittstudie angelegt werden.

3. Die Bundesagentur für Arbeit sollte ein zentrales Callcenter für Flüchtlinge einrichten, das muttersprachliche Auskünfte zu allen Fragen rund um Ausbildung, Weiterbildung und Arbeit geben kann. Darüber hinaus wäre eine weitere Beratungshotline für Betriebe, die Flüchtlinge einstellen wollen, sinnvoll.

4. Der Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden der Flüchtlingsaufnahme und -integration (Bundespolizei, BAMF, Ausländerämter, Polizei, Bundesagentur für Arbeit) sollte ermöglicht, die informationsverarbeitenden Systeme und Programme vereinheitlicht werden. Im Leistungsbereich sollte eine elektronische Akte eingeführt werden, die von der Asylbewerberleistungsstelle zur Grundsicherung mit den jeweiligen Bezieherinnen und Beziehern weiterwandert.

Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt

5. Die beruflichen Qualifikationen von Flüchtlingen müssen verbessert und beschleunigt werden. Das Informationsportal der Bundesregierung „Anerkennung in Deutschland“ sollte überarbeitet, aktualisiert und das mehrsprachige Angebot ergänzt werden. In den Berufsberatungen der Jobcenter für Flüchtlinge ist das Portal aktiv zu bewerben und auf die Beratung durch das bundesweite „IQ-Netzwerk: Integration durch Qualifizierung“ hinzuweisen.

6. Die abstrakte Vorrangprüfung sollte in eine konkrete Vorrangprüfung umgewandelt werden. Flüchtlingen inklusive Asylsuchenden mit Bleibeperspektive sollte der Arbeitsplatz offenstehen, wenn nicht innerhalb einer gewissen Zeit (zum Beispiel zwei Wochen) eine bevorrechtigte Person konkret vermittelt werden kann.

7. Der Zugang zum Arbeitsmarkt sollte Flüchtlingen mit Bleibeperspektive nach drei Monaten gewährleistet werden. Die gesetzlichen Regelungen sind entsprechend anzupassen.

8. Zeitarbeit sollte unabhängig von der Qualifikation für alle arbeitsberechtigten Asylbewerberinnen und -bewerbern und für die Geduldeten geöffnet werden.

9. Es sollte ein deutlich verbessertes Schnittstellenmanagement zwischen Arbeitsagenturen und Jobcentern eingerichtet werden.

10. Die Möglichkeit der Einschränkung einer Beschäftigung von Flüchtlingen nach beruflicher Tätigkeit, Arbeitgeber, Region oder Lage und Verteilung der Arbeitszeit durch die Bundesagentur für Arbeit (§ 34 Beschäftigungsverordnung) sollte ersatzlos gestrichen werden.

11. Das Höchstalter für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Ausbildungszwecken sollte gestrichen werden.

12. Geduldeten ohne Arbeitsverbot und Asylsuchenden mit Bleibeperspektive sollte der Zugang zu allen relevanten Förderleistungen der Berufsausbildung (Berufsausbildungsbeihilfe, assistierte Ausbildung, ausbildungsbegleitende Hilfen und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen) ab Abschluss eines Ausbildungsvertrages und nicht erst nach 15 Monaten Aufenthalt ermöglicht werden, um den Abschluss der Berufsausbildung gezielt zu unterstützen.

13. Für die Dauer der Ausbildung sollten Geduldete eine Aufenthaltserlaubnis statt der bisher vorgesehenen Duldung erhalten. Auf jeden Fall ist eine ausbildungsfreundliche Handhabung der aufenthaltsrechtlichen Regelung (§18a AufenthG) durch die zuständigen Ausländerbehörden vor Ort zu gewährleisten. Der erfolgreiche Abschluss einer Ausbildung sollte zur sofortigen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und zu einem freiem Zugang zum Arbeitsmarkt führen.

14. Für die Anerkennung von Berufsqualifikationen laut Anerkennungsgesetz sollten von berufstätigen Antragstellerinnen und Antragsstellern bei einem negativen Bescheid die Gebühren vom Bund oder von den Ländern übernommen werden, bei arbeitslosen Flüchtlingen sollte in der Regel die Agentur oder das Jobcenter zahlen. Der Ablehnungsbescheid sollte möglichst exakt die Differenz zur Anerkennung beschreiben, damit eine eventuelle Nachschulung darauf aufbauen kann.

Institutionelle Reformen

15. Es sollten Verfahren zur Validierung von nicht zertifizierten und informell erworbenen fachlichen Kompetenzen eingeführt werden, die die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen sowie individuelle Nachqualifizierungsprozesse unterstützen.

16. In der Frage des Mindestlohns sollten Flüchtlinge wie inländische Langzeitarbeitslose betrachtet werden. Der Mindestlohn greift erst ab dem siebten Beschäftigungsmonat.

Unterstützungsmaßnahmen und Netzwerke

17. Flüchtlingen mit Bleibeperspektive sollte der volle Zugang zu arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten gewährt werden.

18. Die Existenzgründungsförderung für Flüchtlinge ist zu verstärken, um deren Selbstständigkeit zu fördern. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) könnte in Kooperation mit dem Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V., Unternehmensverbänden, Kammern, der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern ein Konzept zur Gründungsförderung entwickeln und ein Beratungs- und Förderprogramm auflegen.

19. Bestehende Portale für die Vermittlung von Arbeit an Flüchtlinge (workeer.de usw.) sollten - gegebenenfalls in Kooperation mit den großen privaten Portalen für die Jobsuche (z. B. monster.de, jobboerse.de) – ausgebaut, professionalisiert und systematisch beworben werden.

20. Die Netzwerke des ESF-Bundesprogramms „Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen“ sollten auf allen Ebenen in alle Strategien der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen als Expertinnen und Experten eingebunden werden.