Fachpublikation

Öffentliche Wissenschaft

Thema

Wissenschaftskommunikation

Herausgeberschaft

Schader-Stiftung

Erscheinungsort

Darmstadt

Erscheinungsjahr

2015

Stiftungsengagement

Schader-Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Literaturangabe

Schader-Stiftung (Hrsg.): Öffentliche Wissenschaft. Darmstadt 2015.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Im Mittelpunkt der dokumentierten Tagung steht die Suche nach tragfähigen Konzepten Öffentlicher Wissenschaft, die dialogisch auf gesellschaftlich relevante Fragen eingehen. Diese Frage wird als hochaktuell betrachtet, da es in der reflexiven Moderne um die Frage gehe, wie eine sinnvolle Partizipation zwischen Wissenschaft und „ihren“ Öffentlichkeiten stattfinden kann. Die Nachfrage nach Offenheit der Wissenschaft und Dialog mit außerwissenschaftlichen Akteurinnen und Akteuren steige kontinuierlich. Eine erneuerte Wissenschaftsauffassung produziere und provoziere aber auch Fragen zwischen Erweiterung und Entgrenzung von Wissenschaft. Bislang gebe es noch wenig verlässliche Orientierungen und Vorbilder im Feld Öffentlicher Wissenschaft.

Das Werkstattgespräch „Wie viel Wissenschaft braucht die Öffentlichkeit – wie viel Öffentlichkeit verträgt die Wissenschaft?“ der Schader-Stiftung am 19. und 20. März 2015 verfolgte daher das Ziel, Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation sowie angewandten Öffentlichen Wissenschaften zu vernetzen und durch intensiven überfachlichen Austausch zur Präzisierung der Debatte beizutragen. Das Gespräch wurde in Kooperation mit der Hochschule Furtwangen (Public Science Lab) als Initiator, der Deutschen Gesellschaft für Soziologie DGS („DGS goes public“) und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft durchgeführt.

In den Vorträgen und Diskussionsrunden wurden zahlreiche Themen behandelt, unter anderem Qualitätskriterien für die Wissenschaftskommunikation, Soziologie als Öffentlichkeitsarbeit, öffentliche Wissenschaft an Hochschulen und die Rolle der Medien.

Wichtige Ergebnisse

In seinem Impulsvortrag „Öffentliche Gesellschaftswissenschaften: Von der Kommunikation zum Dialog“ gab Prof. Dr. Stefan Selke (Hochschule Furtwangen) einen Einblick in die Thematik. Öffentliche Wissenschaft laufe ständig Gefahr, zu einer öffentlichen Nicht-Wissenschaft deklariert und damit deklassiert zu werden. Die zentrale Paradoxie Öffentlicher Wissenschaft bestehe darin, dass sie zwar überaus erfolgreich darin sein kann, Öffentlichkeiten zu adressieren, zu involvieren oder sogar neue zu generieren. Gleichzeitig sei dieser Erfolg aber unter Umständen der Tatsache geschuldet, dass sie damit den Status einer Wissenschaft verliert und so zu einer „öffentlichen Nicht-Wissenschaft“ wird. Erfolgreiche Öffentliche Wissenschaft sei dann zwar sehr öffentlich, aber nur noch wenig wissenschaftlich. Die Kernfrage sei deshalb: Unter welchen Bedingungen ist Öffentliche Wissenschaft möglich, die öffentlichkeitswirksam ist und zugleich als wissenschaftlich gilt?

Nach Selke muss es darum gehen, explizit und problembezogen in den Dialog mit Öffentlichkeiten vor Ort zu treten. Wie könnte ein solcher Weg umgesetzt werden? Selke erläuterte das an einem Beispiel: Der Hochschule Furtwangen ist es im Rahmen eines Projekts 2014 gelungen, ein sogenanntes Regional Centre of Expertise (RCE) von der United Nations University einzuwerben. Dieses Kompetenzzentrum im Bereich „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ ist eines von nur fünf RCEs in Deutschland. Es soll dazu dienen, „wicked problems“ (komplexe gesellschaftliche Herausforderungen, die die Zukunft aller Menschen betreffen) in regionalem Maßstab gemeinsam mit Akteuren vor Ort zu lösen und so vom Wissen zum Handeln zu kommen. Das Projekt setzt konsequent auf dialogische Integration und repräsentiert nach Selke eine Synthese der neuen Wissenschaftsnarrative unter Einbezug Öffentlicher Wissenschaft. Im Rahmen des RCE in Furtwangen entscheiden zum Beispiel Schülerinnen und Schüler, Seniorinnen und Seniorinnen, weitere Bürgerinnen und Bürger, Unternehmerinnen und Unternehmer, Studierende und Lehrende, Politikerinnen und Politiker sowie Vertreterinnen und Vertreter der Medien gemeinsam über die Definition von Forschungsfragen. Damit sei die Hoffnung verbunden, dass dieses Verfahren einmal von allen Beteiligten als erfolgreiche Öffentliche Wissenschaft gesehen wird – im Sinne von öffentlich und wissenschaftlich, so Selke.

Wo und wie ist also eine Öffentliche Wissenschaft möglich, die sich signifikant von einem „Outsourcing der Wissenschaftskommunikation“ oder einer „Übersetzung von Fachsprache“ unterscheidet? Selke plädiert dafür, aufbauend auf den vorhandenen Erfahrungen quasi in den Schattenzonen der disziplinär normierten Methoden dialogische Öffentliche Wissenschaft zu betreiben und auch zu legitimieren. Damit seien jedoch zahlreiche Herausforderungen verbunden, mit denen man sich noch intensiver beschäftigen müsse.