Studie mit Handlungsempfehlungen

Lehrerbildung in der Einwanderungsgesellschaft

Thema

Qualifizierung von Lehrkräften in einer Einwanderungsgesellschaft

Herausgeberschaft

Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR)

Autoren/Autorinnen

Simon Morris-Lange/Katharina Wagner/Lale Altinay

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2016

Stiftungsengagement

Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Stiftung Mercator

Literaturangabe

Simon Morris-Lange/Katharina Wagner/Lale Altinay: Lehrerbildung in der Einwanderungsgesellschaft. Qualifizierung für den Normalfall Vielfalt. Hrsg. v. Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Policy-Brief 4/2016. Berlin 2016.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass bundesweit etwa jedes dritte Schulkind einen Migrationshintergrund hat. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass Lehrkräfte auf kulturelle und sprachliche Unterschiede im Klassenzimmer angemessen reagieren können. Nur dann können sie junge Migrantinnen und Migranten angemessen unterstützen: Für die Integration der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist es entscheidend, dass sie individuell unterstützt werden. Darüber hinaus sind auch bei Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund oft Sprachdefizite festzustellen, sodass auch diese Gruppe von gezielter Förderung profitieren könnte.

In einer Studie des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration und dem Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache an der Universität zu Köln wird analysiert, ob die Lehrerbildung in den Bereichen Ausbildung und Qualifizierungsmöglichkeiten den Bereich kultureller und sprachlicher Vielfalt im Klassenzimmer ausreichend berücksichtigt. Am Schluss werden in Handlungsempfehlungen Wege aufgezeigt, wie die Lehrerbildung in dieser Hinsicht weiterentwickelt werden kann.

Wichtige Ergebnisse

Ein wichtiges Ergebnis lautet, dass viele Lehrkräfte in Deutschland in ihrer Aus- und Fortbildung nicht lernen, wie sie auf kulturelle und sprachliche Unterschiede im Klassenzimmer angemessen reagieren können. Dieses Defizit wirkt sich auf den Spracherwerb von Kindern und Jugendlichen negativ aus. Nur wenige Lehrkräfte lernen, ihren Unterricht so zu gestalten, dass alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft ihre mündlichen und schriftlichen Sprachkenntnisse und damit ihre Bildungschancen verbessern können.

Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Hochschulen und Bundesländern. Während die Ausbildung an manchen Orten die Vermittlung von grundlegenden Sprachförderkompetenzen für alle Studierenden einschließt, besteht an anderen Orten noch nicht einmal die Möglichkeit, sich im Umgang mit sprachlicher und kultureller Vielfalt zu qualifizieren. Zwölf Länder haben in dieser Frage Regelungen getroffen, um die Hochschulpraxis zu vereinheitlichen, doch bleiben diese Landesvorgaben häufig vage und ohne sichtbaren Effekt in der Praxis. Nur in Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sind alle angehenden Lehrkräfte per Gesetz dazu verpflichtet, einen oder mehrere Kurse zum Thema Sprachbildung zu absolvieren. In den anderen Bundesländern beginnen Lehrkräfte ihren Schuldienst in dieser Frage weitgehend unvorbereitet, da das Referendariat in den meisten Ländern auch nicht systematisch einschließt, dass junge Lehrkräfte lernen, pädagogisch angemessen mit sprachlichen und kulturellen Unterschieden umzugehen.

Auch die Lehrerfortbildung zeigt im Hinblick auf den Umgang mit Vielfalt erhebliche Mängel: Eine Analyse der zentralen Fortbildungskataloge der 16 Bundesländer lässt erkennen, dass die Arbeit mit sprachlich und kulturell vielfältigen Lerngruppen nach wie vor eine untergeordnete Rolle spielt. Selbst wenn Lehrkräfte die passende Fortbildung im Länderkatalog finden, handelt es sich hierbei meist um kurze Input-Veranstaltungen, die punktuell besucht werden und nur teilweise den Transfer in die Schulpraxis ermöglichen. Der Umgang mit Vielfalt gilt in den meisten Schulen weiterhin als Spezialqualifikation. Die unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Ausgangslagen aller Kinder und Jugendlichen erfordern jedoch, dass Lehrerkollegien umfassend auf den Normalfall Vielfalt vorbereitet werden.

Folgende Maßnahmen werden als sinnvoll betrachtet, um in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften Diversität angemessen zu berücksichtigen:

  • Verpflichtende Grundausbildung für alle angehenden Lehrkräfte: Alle angehenden Lehrkräfte sollten Basiskompetenzen in Sprachbildung sowie im angemessenen Umgang mit kultureller Vielfalt erwerben. Dies erfordere konkrete Landesvorgaben und eine Hochschullehre, die sich am Bedarf der Schulpraxis orientiert.
  • Mehr wirksame Lehrerfortbildungen: Deutschlandweit sollten mehr Fortbildungen zu Sprachbildung, Fluchtfolgen und anderen akuten Qualifizierungsbedarfen angeboten werden. Diese Angebote seien langfristig und auf ganze Lehrerteams auszurichten, da ungleichen Bildungschancen nur gemeinsam im Rahmen der Schulentwicklung begegnet werden kann.
  • Mehr Transparenz in der Lehrerbildung: Informationen über Aus- und Fortbildungsinhalte sollten nutzerfreundlich und an zentraler Stelle zugänglich sein. Hier wäre es ratsam, die Fortbildungskataloge der Bundesländer und den bundesweiten „Monitor Lehrerbildung“ stärker zu nutzen.