Fachpublikation

Inklusion kann gelingen!

    Thema

    Inklusion als gute schulische Praxis

    Herausgeberschaft

    Bertelsmann Stiftung

    Autoren/Autorinnen

    Ulrich Kober/Dirk Zorn/Nicole Hollenbach-Biele/Kathrin Dedering/Anja Simon/Corinna Ziegler/Dirk Richter/Ina Döttinger/Ann-Kathrin Arndt/Rolf Werning/Dennis Vogt

    Erscheinungsort

    Gütersloh

    Erscheinungsjahr

    2016

    Stiftungsengagement

    Bertelsmann Stiftung

    Literaturangabe

    Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Inklusion kann gelingen! Forschungsergebnisse und Beispiele guter schulischer Praxis. Gütersloh 2016.

    Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

    Durch welche Merkmale ist gute schulische Inklusion gekennzeichnet? Dieser Frage widmet sich die Publikation „Inklusion kann gelingen!“, die zur Verleihung des Jakob Muth-Preises 2016 erschienen ist. Im Zentrum stehen die Forschungsergebnisse eines Kooperationsprojekts zwischen der Universität Hannover und der Bertelsmann Stiftung. Die Ergebnisse belegen, dass inklusive Schule gelingen kann.

    Die Autorinnen und Autoren analysieren Jakob Muth-Preisträgerschulen der vergangenen Jahre und arbeiten sieben Merkmale guter inklusiver Schulen heraus. Bewährte Methoden und Elemente inklusiver Schulentwicklung ergänzen die Analyse. Hinzu kommt ein Überblick zum Forschungsstand inklusiver Schule und zu den Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern, sowie die Ergebnisse von Umfragen, die die Sichtweise von Eltern und Lehrkräften auf inklusives Lernen verdeutlichen.

    Wichtige Ergebnisse

    Stand der Inklusion in Schulen in Deutschland

    Ein wichtiges Ergebnis ist, dass die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 offenbar einen inklusiven Paradigmenwechsel für das deutsche Schulsystem eingeleitet hat. Auch wenn der Weg zu einem inklusiven Schulsystem noch weit sei, hätten doch viele Schulen den Weg zur Inklusion beschritten. Dies zeige sich an verschiedenen Aspekten:

    • Immer mehr Förderschülerinnen und -schüler werden in Regelschulen unterrichtet,
    • Förderschulen werden geschlossen oder in „Schulen ohne Schüler“ überführt,
    • Sonderpädagoginnen und -pädagogen kommen an Regelschulen,
    • Fortbildungen für Lehrkräfte in Regelschulen werden gestartet,
    • Inklusion und gemeinsames Lernen ist nicht mehr nur ein Thema in integrativen Schulformen wie Grund- oder Gesamtschulen, sondern auch in Gymnasien.

    Ein Fazit lautet, dass die Schulen in Deutschland inklusiver werden.

    Umsetzung der Inklusion an Schulen in Deutschland

    In Deutschland zeigt sich jedoch insgesamt ein langsames Reformtempo. Auch wenn immer mehr Kinder mit Handicap eine Regelschule besuchen, geht der Anteil von Schülerinnen und Schüler in Förderschulen kaum zurück. Eine Ursache wird darin gesehen, dass derzeit bei immer mehr Schülerinnen und Schülern ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird – Tendenz steigend. Der länderspezifische Blick macht deutlich, dass vor allem die Stadtstaaten und Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren die Weichen für eine umfassende schulische Inklusion gestellt haben. Andere Bundesländer stehen hier noch am Anfang.

    Forschungsergebnisse zum gemeinsamen Lernen

    Nach wie vor ist eine grundsätzliche Skepsis verbreitet, dass das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Förderbedarf funktionieren kann. Befunde der erziehungswissenschaftlichen Forschung zu den Effekten gemeinsamen Lernens weisen jedoch darauf hin, dass alle Schülerinnen und Schüler – also jene mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf – in ihrer kognitiven und schulischen Leistungsentwicklung vom inklusiven Unterricht profitieren; der getrennte Unterricht bringt in diesen Bereichen Nachteile für Förderschülerinnen und -schüler mit sich. Die Schülergruppe ohne Förderbedarf profitiert durch das gemeinsame Lernen zudem im (psycho-)sozialen und emotionalen Lernen. Laut Forschung wirkt inklusiver Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler dann positiv, wenn dabei auf die Lerngruppenzusammensetzung, auf gute individuelle Förderung sowie auf konsequente Arbeit an der sozialen Akzeptanz und am Selbstkonzept der Kinder und Jugendlichen geachtet wird.

    Erfahrungen und Überzeugungen von Eltern

    Auch die Mütter und Väter berichten von positiven Erfahrungen mit dem gemeinsamen Unterricht. Nach den Ergebnissen einer repräsentativen Elternumfrage wird deutlich, dass Eltern ein Bewusstsein für die positiven Effekte inklusiver Bildung entwickeln, wenn sie in Kontakt mit dem gemeinsamen Lernen kommen, sei es durch die eigenen Kinder oder durch Kinder in ihrem Umfeld. Inklusive Lernumgebungen werden von ihnen positiver bewertet als nicht inklusiv arbeitende Schulen – und zwar unabhängig davon, ob sie eigene Kinder mit Förderbedarf haben. Allerdings ist die Mehrheit der Eltern (noch) nicht davon überzeugt, dass alle Schülerinnen und Schüler inklusiv am besten lernen. Hier macht die konkrete Erfahrung den Unterschied: Eltern von Kindern, die inklusive Schulen besuchen oder die private Kontakte zu Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben, schätzen das Potenzial des gemeinsamen Lernens tendenziell höher ein.

    Erfahrungen von Lehrkräften an inklusiven Schulen

    Eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von Inklusion spielen neben den Eltern die Lehrkräfte. Eine repräsentative Umfrage mit 1.000 Lehrkräften der Sekundarstufe I kommt zu dem Ergebnis, dass Lehrkräfte an inklusiven Schulen intensiver kooperieren als Lehrkräfte nicht inklusiver Schulen – und das bei vergleichbarer beruflicher Zufriedenheit.

    Jakob Muth-Preis für inklusive Schule

    Für gelingende schulische Inklusion sind orientierende Beispiele bzw. Orte des Gelingens notwendig – also Schulen, die bereits erfolgreich inklusiv arbeiten. Mittlerweile gibt es in Deutschland viele solcher Schulen. Die Beauftragte des Bundes für die Belange behinderter Menschen zeichnet gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen UNESCO-Kommission seit 2009 jedes Jahr Schulen mit dem Jakob Muth-Preis für inklusive Schule aus. Bis einschließlich 2015 haben sich über 550 Schulen aus allen 16 Bundesländern für diesen Preis beworben, 21 Schulen aus neun Bundesländern wurden ausgezeichnet. Bisher waren es vor allem Grundschulen, 2016 wurde das erste Gymnasium ausgezeichnet.

    Merkmale guter inklusiver Schulen

    Auf der Basis von Interviews mit Schulleitungen, Lehrkräften, Sonderpädagoginnen und -pädagogen sowie Eltern in den Jakob Muth-Preisträgerschulen wurden sieben Merkmale guter inklusiver Schule herausgearbeitet:

    • In der inklusiven Schule stehen die Schülerinnen und Schüler mit ihrem Bildungserfolg im Mittelpunkt: Der Fokus liegt auf den Potenzialen und Entwicklungsmöglichkeiten eines jeden Kindes.
    • Inklusiver Unterricht fokussiert auf individuelles und kooperatives Lernen. Dazu gehört die Anleitung der Kinder zu selbstgesteuertem und zielorientiertem Lernen, die kontinuierliche Begleitung jedes Kindes und seiner Lerngruppe, eine Orientierung am individuellen Lerntempo sowie abwechselnde Phasen individuellen und kooperativen Lernens.
    • Verbindliche Absprachen für die pädagogische Arbeit schaffen in guten inklusiven Schulen verlässliche Strukturen für das gemeinsame Lernen. Durchgängige Unterrichtskonzepte, eine systematische Lernbegleitung, rhythmisierte Tagesabläufe, gute Elternarbeit und ein lebendiges Schulleben funktionieren nur mit klaren Absprachen zur Teamarbeit.
    • Inklusive Schulentwicklung ist ein fortwährender reflexiver Prozess, der die ganze Schule betrifft und von allen Beteiligten als Querschnittsaufgabe bewusst gestaltet wird. Wichtig ist, dass die Kollegien ihr Handeln regelmäßig und systematisch hinterfragen (Evaluationskultur).
    • Das Kollegium und die Schulleitung arbeiten eng zusammen: Prinzip ist die Beteiligung aller Beteiligten (erweiterte Schulleitung, Mitbestimmung der Eltern und der Schülerinnen und Schüler). Die Schulleitung agiert als Motor der inklusiven Schulentwicklung. Hinzu kommt die intensive Kooperation im multiprofessionellen Kollegium und mit der Leitungsebene.
    • Die inklusive Schule arbeitet mit Eltern und externen Partnern zusammen. Sie vernetzt sich mit anderen Institutionen und ist offen für externe Unterstützungssysteme, wie zum Beispiel Schulpsychologie, medizinisch-therapeutische Fachkräfte, Jugendhilfe.
    • Haltung, Kompetenz und geeignete Rahmenbedingungen bilden das Fundament inklusiver Schule: Ganz entscheidend ist eine inklusive und wertschätzende Haltung aller Beteiligten und eine primär stärkenorientierte Sichtweise mit Blick auf Entwicklungsmöglichkeiten jedes einzelnen Kindes, aber auch eine ausreichende und verlässliche Ressourcenausstattung und qualifiziertes Personal.

    Somit wird deutlich, dass Inklusion unter bestimmten Voraussetzungen sehr gut funktionieren kann. Neben dem Engagement der Schule und aller Beteiligten vor Ort braucht es vor allem ein klares politisches Bekenntnis zum eingeschlagenen Weg und verlässliche Rahmenbedingungen.

    Zugriff

    Zur Bestellung (kostenpflichtig)

    Gesamtstudie

    Kostenpflichtig (Print-Publikation und Download)

    Zusammenfassung

    Kostenfrei (Download)