Generation Messenger
- Handlungsfeld
- Digitale Transformation
Thema
Nutzungsverhalten junger Menschen bei Messengerdiensten
Herausgeberschaft
Vodafone Stiftung Deutschland (Hg.)
Erscheinungsort
Düsseldorf
Erscheinungsjahr
2021
Stiftungsengagement
Vodafone Stiftung Deutschland
Literaturangabe
Vodafone Stiftung Deutschland (Hg.): Generation Messenger. Eine repräsentative Befragung junger Menschen zur Nutzung von Messengerdiensten. Mit einem Kommentar von Martin Fuchs. Düsseldorf 2021.
Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise
Ausgangspunkt ist, dass für junge Menschen Messengerdienste wie WhatsApp, Telegram oder Snapchat eine zentrale Rolle spielen, wenn sie im digitalen Raum unterwegs sind. Jugendliche und junge Erwachsene nutzen sie ähnlich intensiv wie die sozialen Medien Instagram, YouTube oder Facebook. Anders als bei sozialen Medien werden die Inhalte dieser auch als „Dark Social“ bezeichneten Messengerdienste aber von außen nicht einsehbar und werden auch nicht von den Betreibern moderiert. Darüber hinaus fehlt es an fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Verbreitung problematischer Inhalte auf Messengerdiensten und ihre individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen.
Mit der vorliegenden Befragung, die online im September 2020 durchgeführt wurde, möchte die Vodafone Stiftung einen Einblick geben, wie junge Menschen in Deutschland Messengerdienste nutzen und mit welchen problematischen Inhalten sie dort in Kontakt kommen.
Die methodische Gesamtverantwortung und Durchführung der Studie lag bei Infratest dimap Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung mbH. Die Stichprobe umfasste 2.064 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren.
Wichtige Ergebnisse
Ausgewählte Ergebnisse der Befragung
Intensive Nutzung: Messengerdienste als wichtiger Bestandteil im Leben junger Menschen
- Fast alle 14- bis 24-Jährigen (99 Prozent) sind auf solchen Diensten aktiv.
- Messengerdienste werden von jungen Menschen in etwa so intensiv genutzt wie soziale Medien und deutlich mehr als klassische Medien wie beispielsweise das Fernsehen.
- Mehr als drei Viertel (76 Prozent) nutzen Messenger mehr als eine Stunde pro Tag, fast ein Viertel (23 Prozent) sogar mehr als vier Stunden täglich.
- Besonders intensiv nutzen junge Menschen mit formal niedriger Bildung Messengerdienste: 37 Prozent von ihnen verbringen mehr als vier Stunden pro Tag mit Messengerdiensten, unter denjenigen mit formal hoher Bildung sind es dagegen nur 17 Prozent. Junge Frauen gehören zudem häufiger zu den Intensivnutzer*innen als junge Männer und junge Erwachsene etwas häufiger als Jugendliche.
- Zum Zeitpunkt der Befragung im September 2020 war WhatsApp der klare Vorreiter unter den Diensten: 96 Prozent aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die bei Messengerdiensten aktiv sind, nutzen WhatsApp täglich.
- Im Vordergrund der Nutzung von Messengerdiensten stehen für junge Menschen sowohl die private Kommunikation mit Freund*innen oder Familie als auch die berufs- oder bildungsbezogene Kommunikation.
- Einzelne Dienste wie beispielsweise Snapchat oder Discord werden auch viel zu Unterhaltungszwecken genutzt.
- Bei der Information über das Nachrichtengeschehen oder politische Inhalte spielen Messengerdienste nur eine geringe Rolle. Hier ziehen 74 Prozent der jungen Menschen soziale Medien vor.
Falschnachrichten, Hassrede und Mobbing auf Messengerdiensten
- 61 Prozent der jungen Nutzer*innen von Messengerdiensten erhielten darüber auch schon Falschnachrichten (Fake News).
- WhatsApp und Social-Media-Messenger, wie zum Beispiel der Facebook Messenger oder die Direktnachrichten bei Twitter, spielen für die Verbreitung von Falschnachrichten unter jungen Menschen dabei die größte Rolle. Jeweils über 40 Prozent der Nutzer*innen dieser Messenger haben dort auch bereits Falschnachrichten wahrgenommen. Bei allen anderen Messengerdiensten sind es 12 Prozent (Telegram) oder weniger.
- Als Absender*innen von Falschnachrichten nennen junge Menschen vor allem Bekannte aus dem Bildungs- oder Berufskontext (50 Prozent) oder unbekannte Personen (40 Prozent). Freund*innen (37 Prozent) oder Verwandte (27 Prozent) werden von jungen Menschen weniger häufig als Absender*innen von Falschnachrichten wahrgenommen.
- 53 Prozent der jungen Nutzer*innen von Messengerdiensten haben über diese Kanäle bereits Mobbing wahrgenommen, 48 Prozent Hassrede gegen bestimmte soziale Gruppen und 40 Prozent extremistische Aussagen oder Aufrufe zur Gewalt.
- Fast ein Drittel der 14- bis 24-Jährigen (32 Prozent) ist sogar selbst bereits Opfer von Beleidigungen, Bedrohungen oder Mobbing über Messengerdienste geworden. Junge Menschen mit formal niedriger Bildung sind davon stärker betroffen (43 Prozent) als diejenigen mit formal hoher Bildung (27 Prozent) und junge Frauen (34 Prozent) stärker als junge Männer (30 Prozent).
- Zudem wurden 42 Prozent der jungen Frauen schon über Messengerdienste mit pornografischen Inhalten oder Kontaktversuchen belästigt. Junge Männer (29 Prozent) sind deutlich seltener von solchen Arten der Belästigung betroffen.
- Junge Menschen sind aber nicht nur Opfer problematischer Inhalte auf Messengerdiensten, sondern nutzen auch informelle und formelle Wege, um sich zu wehren. 40 Prozent von ihnen geben an, schon einmal gegen Falschnachrichten, beleidigende oder rassistische Inhalte in einer Chatgruppe Stellung bezogen zu haben.
- Ebenfalls 40 Prozent haben berichtet, das sie bereits Inhalte oder Nutzer*innen offiziell bei Plattformen gemeldet haben, aber nur mit geringem Erfolg. Nur in 40 Prozent der Fälle war die Meldung erfolgreich. Ein Drittel der jungen Menschen, die Inhalte oder Nutzer*innen an Messengerdienste gemeldet hat, hat dazu gar keine Rückmeldung bekommen.
Fazit
Die Befragung zeige, dass Messengerdienste für junge Menschen vor allem einen Kanal für die Alltagskommunikation mit Freund*innen, Bekannten oder Verwandten sowie zur Unterhaltung darstellen. Gleichzeitig machten die Ergebnisse deutlich, dass Messengerdienste keineswegs ein geschützter Raum für junge Menschen sind: Die Hälfte habe bereits Beleidigungen oder Mobbing sowie Hassrede in Chats beobachtet. Mädchen und junge Frauen seien dabei besonders betroffen: 40 Prozent von ihnen wurden schon über Chats belästigt. Zwei Drittel der jungen Menschen hätten zudem schon einmal Falschnachrichten über Messengerdienste bekommen. Vor dem Hintergrund, dass Informationen über persönliche Nachrichten oft als besonders vertrauenswürdig wahrgenommen werden, stellten Messengerdienste damit auch eine bislang zu wenig beachtete Gefahr für den öffentlichen Diskurs und die politische Meinungsbildung dar. Wer Hassrede, Verschwörungserzählungen oder Extremismus verbreiten möchte, nutze WhatsApp, Telegram und Co. schon längst. Ihnen sollte dieser digitale Raum aber nicht überlassen werden. Eine Forderung des Bloggers und Politikberaters Martin Fuchs lautet, die Jugend im Dark Social nicht alleine zu lassen. Zwei Handlungsbereiche der Politik seien dabei sehr wichtig:
1. Es brauche mehr Monitoring und Konzepte der Politik und ihrer Organe. Die Politik müsse dringend Konzepte und Formate entwickeln, um auch auf diesen Plattformen sichtbar zu sein und seriöse Informationen dort bereitzustellen, wo Menschen große Teile ihres Tages kommunikativ verbringen. Zudem braucht es bessere Monitorings, um zu verstehen, wo und wie sich Themen, Debatten und ggf. Falschinformationen entwickeln – auch, um von ihnen nicht überrascht und überrollt zu werden. Dazu gehöre auch, dass Nutzer*innen viel stärker die Chance bekommen müssen, mögliche Desinformation zu melden und im Gegenzug zum Beispiel mit Faktenchecks schnell versorgt werden.
2. Es müsse für mehr Medienkompetenz gesorgt werden. Für die Medienkompetenzvermittlung sollten medienpädagogische Angebote – nicht nur für junge Zielgruppen – für Messenger massiv ausgebaut werden. Sowohl Prebunking- als auch Debunking-Formate sollten viel aktiver am Ort der Entstehung von Unsicherheiten ansetzen, um nicht den gut organisierten und sehr erfolgreichen Verbreiter*innen von Fehlinformationen den Messenger-Raum zu überlassen. Bisher seien nur sehr wenige Konzepte bekannt, aufsuchende digitale Jugendarbeit sei so gut wie nicht vorhanden. Im Bereich Counterspeech gebe es mittlerweile eine Vielzahl von Projekten, die in sozialen Netzwerken wirken. Diese Konzepte sollten für Messenger fruchtbar gemacht werden und die Zivilgesellschaft sollte aktiv unterstützt werden, um Hassrede, Mobbing und Falschnachrichten zu bekämpfen. Der Blick müsse sich also viel stärker weiten, über die bekannten großen und öffentlich einsehbaren Social-Media-Plattformen hinaus richten – zumal sich am Beispiel von Telegram sehr gut zeige, dass einige Messenger längst Mischformen aus Individualkommunikation und Massenkommunikation herausbilden. In Gruppen und Kanälen könnten mit einer Nachricht Hunderttausende Menschen erreicht werden. Bisher seien diese Angebote nicht wie Social Media reguliert. Die Frage, ob Telegram unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) fällt, werde in Fachkreisen gerade diskutiert. Diese Debatte sollte unbedingt in den Parlamenten und auf Podien sachlich und möglichst zeitnah geführt werden. Die Potenziale und Chancen für die Politik, insbesondere junge, bildungsferne, politisch wenig interessierte und wenig kritische Bürger*innen zu erreichen und Vertrauen aufzubauen, seien bisher nicht ansatzweise gehoben.