Studie

Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2019

Thema

Bestandsaufnahme im Bereich Kindertagesbetreuung

Herausgeberschaft

Deutsches Jugendinstitut e.V.

Autoren/Autorinnen

Autorengruppe Fachkräftebarometer (Karin Beher/Angélique Gessler/Dr. Kirsten Hanssen/Pascal Hartwich/Prof. Dr. Anke König/Christian Peucker/Prof. Dr. Thomas Rauschenbach/Michael Walter)

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2019

Stiftungsengagement

Robert Bosch Stiftung

Literaturangabe

Autorengruppe Fachkräftebarometer (Hrsg.): Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2019. Hrsg. v. Deutsches Jugendinstitut e.V., Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. München 2019.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Ausgangspunkt ist, dass ein früher Zugang zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung den Kindern bessere Zukunftschancen eröffnet. Schon in den ersten Lebensjahren würden die Grundlagen für eine erfolgreiche Entwicklung gelegt, da Bildung bereits mit der Geburt beginne: Kinder entdeckten und erforschten vom ersten Tag an ihre Welt und gestalteten sie auch. Neben der Familie komme den Einrichtungen der Kindertagesbetreuung dabei eine besondere Bedeutung zu.

Der Kita-Besuch ist inzwischen zu einem festen Bestandteil der Bildungsbiografie von Kindern geworden: Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes (März 2018) besuchen 93 Prozent der Kinder zwischen drei und fünf Jahren und 34 Prozent der Kinder zwischen null und zwei Jahren eine Kindertageseinrichtung. Die gute Qualität von Kindertageseinrichtungen sei deshalb von großer Bedeutung. Eine zentrale Rolle spielten dabei die frühpädagogischen Fachkräfte, die Bildungsprozesse der Kinder anregen, unterstützen und begleiten.

Die Robert Bosch Stiftung hat 2008 gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Deutschen Jugendinstitut die „Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte“ (WiFF) ins Leben gerufen. Einen wichtigen Beitrag zur Arbeit der WiFF leistet das Fachkräftebarometer Frühe Bildung. Die aufbereiteten Daten ermöglichen es Entscheidungsträgern auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene, in Wohlfahrtsverbänden sowie in Wissenschaft und Ausbildung, die Entwicklung des Arbeitsmarktes nachzuvollziehen und fachpolitische Herausforderungen im Hinblick auf Gewinnung und Einsatz von Fachkräften zu erkennen.

Das Fachkräftebarometer wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Publikation wurde von einer Autorengruppe erstellt, bestehend aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) am Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI) und an der Technischen Universität Dortmund (TU Dortmund). Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politik haben darüber hinaus beratend und unterstützend mitgewirkt.

Das Fachkräftebarometer Frühe Bildung erscheint 2019 – nach 2014 und 2017 – zum dritten Mal. Es bietet eine umfassende Bestandsaufnahme zur Situation des Personals und zu den Entwicklungen im Ausbildungssystem sowie einen vergleichenden Blick auf den Arbeitsmarkt der Kindertagesbetreuung. Grundlage sind überwiegend Daten der amtlichen Statistik, die in Zeitreihen deutschlandweit und auch in Ländervergleichen aufbereitet wurden. Das Fachkräftebarometer Frühe Bildung kann somit als wichtiges Instrument der Sozial- und Bildungsberichterstattung in diesem Themenbereich betrachtet werden, da es ermöglicht, die enormen Dynamiken im Arbeitsfeld der frühkindlichen Bildung kontinuierlich zu beobachten und auszuwerten.

Wichtige Ergebnisse

1. Expansion des Arbeitsmarkts Frühe Bildung

  • Fortsetzung des Personalausbaus

Festzustellen ist, dass der Arbeitsmarkt Frühe Bildung weiterhin expandiert: Zwischen 2012 und 2017 stiegen die Beschäftigtenzahlen in diesem Bereich um 26 Prozent und damit knapp dreimal so stark wie im gesamten Arbeitsmarkt (+9 Prozent). Seit 2018 hat sich die Zahl der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen und öffentlich geförderter Kindertagespflege um 58.400 auf 768.300 (Anstieg um 72 Prozent zwischen 2006 und 2018). Gleichzeitig hat die Zahl der arbeitslos Gemeldeten einen Tiefstand erreicht: 2018 suchten 9.300 Personen eine Beschäftigung in der Frühen Bildung (Arbeitslosenquote von 1,3%). Die große Mehrheit der Beschäftigten in der Frühen Bildung (94 Prozent) arbeitet in Kindertageseinrichtungen (Anstieg der Zahl des pädagogischen und leitenden Personals auf 620.700 Beschäftigte). Ein Fazit lautet, dass sich das Berufsfeld Frühe Bildung damit zu einem starken und dynamischen Teilarbeitsmarkt entwickelt hat.

  • Bedeutungszuwachs für neue Kita-Träger

Ungeachtet der enormen Personalexpansion ist das duale Trägersystem zwischen öffentlicher und freier Kinder- und Jugendhilfe sehr beständig: Wie schon im Jahr 2007 arbeitete 2018 etwa ein Drittel (34 Prozent) der Beschäftigten bei öffentlichen Trägern und etwa zwei Drittel (66 Prozent) bei freien Trägern. Im Binnengefüge der freien Träger zeigten sich die größten prozentualen Beschäftigungsgewinne (+113 Prozent) bei den sonstigen freigemeinnützigen Trägern, die nicht den großen Wohlfahrtsverbänden angehören. Gemessen an der Anzahl der Beschäftigten haben innerhalb der freien Träger die konfessionellen Träger das größte Gewicht: Zwischen 2007 und 2018 wurden dort mit 76.300 neuen Stellen fast ebenso viele neue Arbeitsplätze geschaffen wie bei den öffentlichen Trägern (79.900).

  • Attraktive Beschäftigungsbedingungen – insbesondere für Frauen mit Familie

94 Prozent des pädagogischen und leitenden Personals im Bereich Frühe Bildung sind Frauen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Studie weisen darauf hin, dass viele dieser Frauen neben ihrer Berufstätigkeit offenbar immer noch den Hauptteil der familiären Care-Arbeit verrichten, da die Teilzeitquote unter ihnen sehr hoch ist (ca. 60 Prozent). Das Arbeitsfeld biete gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wofür auch die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Frauen spreche. Diese liege mit 32,4 Stunden zwar 2,6 Stunden unter der Wochenarbeitszeit aller Erwerbstätigen in Deutschland, aber 1,3 Stunden über dem Durchschnitt erwerbstätiger Frauen insgesamt. Mit einem Anstieg von 110 Prozent seit 2007 haben insbesondere die vollzeitnahen Beschäftigungsverhältnisse mit 32 bis 38,5 Wochenstunden innerhalb der Teilzeitstellen zugenommen. Die Berufstätigkeit in Teilzeit entspreche offenbar vielfach den Bedürfnissen der Beschäftigten: Nur 9 Prozent wünschen sich laut Mikrozensus eine Verlängerung ihrer vertraglichen Arbeitszeit.

  • Solide Arbeitsverhältnisse und Gehaltsentwicklung

Die Gehälter in der Frühen Bildung übersteigen mit einer Zunahme von 16 Prozent seit 2012 den Preisindex (+5 Prozent) und liegen über der durchschnittlichen Gehaltsentwicklung von 11 Prozent. 13 Prozent des pädagogischen und leitenden Personals sind befristet angestellt und damit häufiger als auf dem Gesamtarbeitsmarkt (9 Prozent). Dies führen die Wssenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf eine hohe Anzahl an (zunächst befristeten) Neueinstellungen zurück, vor allem aber auf einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Elternzeitvertretungen.

Innerhalb der pädagogischen Berufsgruppen sind insbesondere Integrationskräfte, die Kinder mit Eingliederungshilfe nach SGB VIII/SGB XII unterstützen, von Befristung betroffen (26 Prozent). Trotz des relativ hohen Befristungsanteils liegt die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit mit 10,3 Jahren im mittleren Bereich. Angesichts der vielen Nachwuchskräfte, die im letzten Jahrzehnt in das Arbeitsfeld eingemündet sind, sind die Beschäftigungsverhältnisse beständig. Entlassungen kommen im Arbeitsfeld Frühe Bildung selten vor.

2. Stabiles Qualifikationsniveau der Fachkräfte

  • Hohe Fachlichkeit und ausbaufähige Akademisierung

Die Qualifikation des Personals ist in den letzten Jahren trotz der starken Expansion des Bereichs nicht schlechter geworden. Sieben von zehn pädagogisch und leitend Tätigen sind ausgebildete Erzieherinnen oder Erzieher. Die zweitstärkste Gruppe (11 Prozent) bilden die Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger der Berufsfachschulen, wobei diese fast nur bei den westdeutschen Kita-Beschäftigten zu finden sind. Ein bundesweiter Anstieg ist bei den einschlägig qualifizierten Akademikerinnen und Akademikern festzustellen, allerdings von einem geringen Ausgangsniveau startend. Seit 2006 ist die Zahl der akademisch ausgebildeten Beschäftigten um 23.300 Personen gestiegen (+206 Prozent); ihr Anteil hat sich damit von 3 auf 6 Prozent erhöht. Die Autorinnen und Autoren der Studie weisen darauf hin, dass der Anteil der akademisch Qualifizierten aber – gemessen an den fachpolitischen Hoffnungen – hinter den Erwartungen noch deutlich zurückbleibt, vor allem im Vergleich zu den Anteilen der akademisch Qualifizierten in der übrigen Kinder- und Jugendhilfe und besonders stark im Vergleich zu den vollakademisierten Bildungsberufen in Schule, Hochschule und Weiterbildung. Etwas höher als beim pädagogischen Personal ist der Akademisierungsgrad bei den Kita-Leitungen: 18 Prozent verfügen über einen einschlägigen Hochschulabschluss (+3 Prozentpunkte seit 2011).

  • Leichte Verbesserungen beim Personalschlüssel

Trotz eines anhaltenden Kita-Ausbaus haben sich die Personalschlüssel seit 2012 in allen Gruppenformen der Einrichtungen durchschnittlich verbessert. So kümmerte sich 2017 in einer reinen U3-Gruppe rechnerisch eine vollzeittätige Person im Schnitt um 4,0 Kinder im Ganztag; bei den 3- bis 6,5-Jährigen lag der Schlüssel bei 1 zu 8,5 Kindern. 2012 lag das Betreuungsverhältnis noch bei 1 zu 4,5 bzw. 1 zu 9,1. Allerdings sind die Fortschritte vor allem zwischen 2012 und 2015 erzielt worden und in den letzten Jahren wieder ins Stocken geraten.

  • Leitungen in Doppelfunktion: Führungskraft und Teammitglied

Nach Ansicht der Autorinnen und Autoren der Studie wertet der Bedeutungszuwachs der Kindertagesbetreuung sowie die weiterhin angespannte Personalsituation in den Einrichtungen die Position der Kita-Leitung auf, da Personalgewinnung und -bindung immer mehr als wichtige Führungsaufgabe wahrgenommen werde. Das könne daran abgelesen werden, dass insgesamt die Leitungsressourcen vor allem mit anteilig freigestellten Leitungen ausgebaut wurden. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der rund 56.900 Leitungskräfte erfüllt neben Führung und Management weitere Aufgaben in der Kita, wie zum Beispiel die Gruppenleitung. Der Anteil der vollständig freigestellten Leitungen ist seit 2011 von 53 auf 43 Prozent gesunken. Die durchschnittliche Zahl der wöchentlichen Leitungsstunden pro Kopf der pädagogisch und leitend Tätigen in der Einrichtung liegt seitdem dagegen konstant bei 2,1 Stunden. Gemessen am Stellenwert der Leitung im Fachdiskurs und deren Steuerungsfunktion im Zuge des Ausbaus würden jedoch – trotz der Verbesserung – 60 Prozent der Kindertageseinrichtungen nicht über ausreichende Zeitressourcen verfügen.

  • Ausgeglichenes Altersgefüge der Beschäftigten mit regionalen Unterschieden

Das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen ist zwischen 2012 und 2016 auf dem gesamten Arbeitsmarkt von 43,1 auf 43,9 Jahre gestiegen, im Bereich der Frühen Bildung jedoch von 41,4 auf 41,0 Jahre gesunken. Einen wichtigen Grund sehen die Autorinnen und Autoren im hohen Zustrom an Nachwuchskräften: Knapp 75.000 Personen unter 30 Jahren konnten seit 2006 für das Arbeitsfeld neu gewonnen werden. Am stärksten vom Personalausbau profitiert hätten dagegen Beschäftigte, die 50 Jahre und älter sind. 2018 lag ihr Anteil bei 29 Prozent und damit zehn Prozentpunkte höher als 2006. 180.400 Beschäftigte waren 50 Jahre und älter und bildeten damit die größte Altersgruppe. Im Osten macht diese Gruppe sogar 36 Prozent aus. Damit gelinge es, Beschäftigte im Berufsfeld zu halten oder nach Unterbrechung zurückzugewinnen.

3. Organisation Kita im Wandel

  • Wachsendes Aufgabenspektrum der pädagogischen Arbeit

Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für ein- und zweijährige Kinder, das bildungspolitische Bekenntnis zur Inklusion sowie die wachsende kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft das pädagogische Profil der Kindertageseinrichtungen verändern. So ist die Zahl der institutionell betreuten Kinder unter drei Jahren von 297.000 im Jahr 2007 auf 665.000 im Jahr 2018 gestiegen. Mittlerweile nehmen 81 Prozent der Kindertageseinrichtungen auch Kinder unter drei Jahren auf (Zuwachs von 15 Prozent seit 2007). Im selben Zeitraum ist auch die Zahl der Kinder mit besonderem Förderbedarf (Eingliederungshilfe nach SGB VIII/SGB XII) von rund 57.100 auf 84.600 gewachsen (+48 Prozent). Entsprechend arbeiten mehr Einrichtungen integrativ: Während 2007 nur rund ein Viertel der Einrichtungen mindestens ein Kind mit (drohender) Behinderung betreute, waren es 2018 bereits 37 Prozent. Nicht zuletzt ist die Zahl der Kinder, die in ihren Familien eine andere Sprache als Deutsch sprechen, zwischen 2007 und 2018 um 55 Prozent auf knapp 695.000 gestiegen. Vielsprachigkeit zeigt sich insbesondere in Westdeutschland und in Berlin: Dort werden in rund 90 Prozent der Einrichtungen Kinder mit unterschiedlichen Familiensprachen betreut.

  • Anhaltendes Größenwachstum der Einrichtungen

Der Trend zu größeren Teams und Kindertageseinrichtungen hält an. Die durchschnittliche Anzahl der pädagogisch und leitend Tätigen in den Teams ist von 7,5 im Jahr 2007 auf 11 Personen im Jahr 2018 gestiegen. 40 Prozent der Einrichtungen gehören mittlerweile mit bis zu 14 Beschäftigten zu den mittelgroßen Einrichtungen. Sie haben die Vorrangstellung der kleinen Teams abgelöst. Jede vierte Einrichtung zählt zu den großen Teamtypen mit mehr als 14 Beschäftigten. Sie sind vor allem in Hamburg und Rheinland-Pfalz zu finden. Auf Trägerseite beschäftigen die Wohlfahrtsverbände überdurchschnittlich viele große Teams: AWO (34 Prozent), DRK (32 Prozent) und DPVW (28 Prozent).

  • Große Teams: Chance für mehr Männer und akademisch ausgebildetes Personal

Das Fachkräftebarometer Frühe Bildung betrachtet die Entwicklungen auch auf Ebene der pädagogischen Teams. Die Analyse zeigt demnach, dass die Professionalisierung in den Einrichtungen voranschreitet – trotz des unveränderten Qualifikationsprofils in der Gesamtheit der pädagogisch und leitend Tätigen. 2018 waren Teams, in denen neben sozialpädagogisch qualifiziertem Personal auf Fachschul- oder Berufsfachschulniveau einschlägig qualifizierte Akademikerinnen und Akademiker arbeiten, der häufigste Teamtyp (30 Prozent). Gemischte Teams, in denen das einschlägig akademisch und nichtakademisch qualifizierte Personal durch Personen ohne sozial- oder heilpädagogische Ausbildung ergänzt wird, waren nur in 10 Prozent der Einrichtungen zu finden – mit rückläufiger Tendenz. Die in der Fachöffentlichkeit diskutierten multiprofessionellen Teams, in denen Personen mit einer großen Bandbreite an Berufen arbeiten, sind somit immer noch die Ausnahme. Auch das Geschlechtergefüge verändert sich: Der Anteil reiner Frauenteams hat sich seit 2007 von 84 Prozent auf 60 Prozent reduziert. Die Heterogenität wächst mit der Teamgröße: Nahezu jedes zweite große Team ist akademisch erweitert (kleine Einrichtungen: 18 Prozent), und in 63 Prozent der Kitas ist mindestens ein Mann tätig (kleine Einrichtungen: 24 Prozent).

4. Kindertagespflege: Ergänzungsangebot im U3-Bereich

  • Gesättigter Arbeitsmarkt trotz steigender Betreuungszahlen?

2018 arbeiteten 44.200 Personen in der öffentlich geförderten Kindertagespflege, die eine Alternative zur Kindertageseinrichtung für unter Dreijährige darstellt. Während in Kindertageseinrichtungen die U3-Betreuung zum anhaltenden Beschäftigungsboom beiträgt, verzeichnet die Kindertagespflege kaum Personalzuwachs. Die Zahl der dort Tätigen ist bundesweit seit 2012 nur um 2 Prozent gestiegen. 2018 ist erstmals seit 2014 wieder ein geringes Plus im Vergleich zum Vorjahr erzielt worden (+1 Prozent). Dabei verläuft die Entwicklung in West- und Ostdeutschland unterschiedlich: Während im Osten die Zahl der Kindertagespflegepersonen seit 2012 um 5 Prozent gesunken ist, stieg sie im Westen um etwa 3 Prozent. Insgesamt konnten 750 Kindertagespflegestellen hinzugewonnen werden, die Anzahl der betreuten Kinder stieg bundesweit allerdings um 34.200 Kinder (26 Prozent) und lag 2018 bei knapp 167.600. Im Schnitt betreut eine Kindertagespflegeperson heute 3,8 Kinder und damit fast doppelt so viele wie 2006. Damit hat sich der Personal-Kind-Schlüssel dem für unter Dreijährige in Kindertageseinrichtungen angenähert.

  • Zunehmende, aber weiterhin geringe Qualifikation der Tagespflegepersonen

Festgestellt wird, dass die Kindertagespflege in Bezug auf das Betreuungssetting, Qualifikationsanforderungen und Vergütungsstrukturen kaum reguliert ist. Der Arbeitsmarkt werde von Frauen dominiert, die bei fortgeschrittener Erwerbsbiografie überwiegend unabhängig von einem zuvor ausgeübten Beruf und mit geringen Vergütungserwartungen in die Kindertagespflege einsteigen, beispielsweise in einer Familienphase. Diese Entwicklung spiegele sich in den Zahlen: Nur 3,8 Prozent der dort Tätigen sind Männer, knapp 6 Prozent sind unter 30 Jahre, 30 Prozent verfügen über eine pädagogische Berufsausbildung. Aufgrund der erfolgreichen Förderpolitik hat mittlerweile mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Tagespflegepersonen eine Basisqualifikation von 160 Stunden und mehr. Die Zahl der Tagespflegepersonen ohne Qualifizierung oder mit geringerem Stundenumfang ist von 67 Prozent im Jahr 2006 auf 17 Prozent im Jahr 2018 gesunken. Im Vergleich zum Personal in Kindertageseinrichtungen, das über eine mehrjährige pädagogische Ausbildung verfügt, ist die Qualifikation jedoch weiterhin niedrig.

  • Großtagespflege: anhaltender Trend oder Randphänomen?

Während weiterhin 70 Prozent der Tagespflegepersonen Kinder in ihrer eigenen Wohnung betreuen, zeichnet sich die dynamischste Entwicklung bei der Betreuung in angemieteten Räumen ab: Bundesweit erhöhte sich die Zahl der Personen in diesem Bereich von 1.380 im Jahr 2006 auf 10.650 im Jahr 2018 (+670 Prozent). Außerhalb der privaten Räume betreut eine Tagespflegeperson mit 4,1 Kindern mehr als bei sich zu Hause (3,7 Kinder). Auch das Qualifikationsniveau ist höher: 39 Prozent verfügen über einen einschlägigen fachpädagogischen Berufsabschluss im Vergleich zu 27 Prozent der Tagespflegepersonen, die in den eigenen vier Wänden tätig sind. Eine Sonderform stellt die Großtagespflege dar, bei der sich mehrere Tagespflegepersonen in angemieteten Räumen zusammenschließen. In elf Bundesländern ist dieses Angebot landesrechtlich geregelt. Dort hat sich die Zahl der in Großtagespflegestellen betreuten Kinder zwischen 2012 und 2018 von 17.100 auf 34.000 nahezu verdoppelt. 4.200 zusätzliche Personen wurden eingestellt. Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass die steigende Anzahl der betreuten Kinder, die bessere Qualifizierung sowie der Trend zur Tätigkeit außerhalb privater Räume eine Entwicklung von einer Art Nebenbeschäftigung hin zu einer finanziell auskömmlichen Erwerbstätigkeit darstellt. Ob diese Entwicklung anhält oder vom weiteren Ausbau der U3-Einrichtungen gebremst wird, bleibe abzuwarten.

5. Ausbildungssystem Frühe Bildung: nicht nur Ausbau, sondern Umbau

  • Vielfältige Einstiege in die Frühe Bildung

Ausbildungen für eine Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen werden in Berufsfachschulen (Kinderpflege und Sozialassistenz), Fachschulen für Sozialpädagogik (Erzieherinnen und Erzieher) und Hochschulen (Kindheitspädagogik) angeboten. Insgesamt haben im Schuljahr 2017/18 rund 71.000 junge Menschen eine Ausbildung aufgenommen, die in das Arbeitsfeld Frühe Bildung einmünden können. Das Ausbildungsvolumen ist damit in den letzten zehn Jahren um 64 Prozent gestiegen. Die Gesamtzahl aller neu ausgebildeten Personen wird voraussichtlich auf rund 57.000 Absolventinnen und Absolventen im Schuljahr 2018/19 steigen. Um dieses Niveau zu erreichen und zu halten, wurde das Ausbildungssystem auf allen Ebenen ausgebaut sowie Bildungsgänge in Hinblick auf die Bedürfnisse von Nachwuchskräften und Einrichtungen verändert. Auf allen Ausbildungsebenen werden Modelle in Teilzeit, verkürzt oder angelehnt an die duale Ausbildung, erprobt oder regulär angeboten. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang nichtstaatliche Bildungsträger: 53 Prozent der Fachschulen für Sozialpädagogik sind in frei-gemeinnütziger oder privater Trägerschaft. Ein Fünftel der Studierenden der Früh- bzw. Kindheitspädagogik erwerben ihren Abschluss an einer privaten Hochschule, weit mehr als in den Fächern Soziale Arbeit (5 Prozent) und Erziehungswissenschaft (2 Prozent).

  • Ausbau der Fachschulen als zentrale Ausbildungsinstanz für Kitas durch die Länder

Bei der Expansion der Kindertageseinrichtungen spielen die Fachschulen für Sozialpädagogik eine entscheidende Rolle: Um die hohe Nachfrage an Nachwuchskräften zu bedienen, wurden die Ausbildungskapazitäten dieser Ausbildungseinrichtungen enorm ausgebaut und es wurden auch neue Fachschulen gegründet. Im Schuljahr 2017/18 haben über 38.000 Personen eine Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher begonnen – mehr als jemals zuvor. 32.000 Personen haben im Schuljahr 2016/17 die Ausbildung abgeschlossen. Während die Zahl der Absolventinnen und Absolventen seit 2013/14 weiter jährlich um ca. 2.000 Personen steigt, stagniert seit dem Schuljahr 2013/14 die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger. Um das Niveau zu halten, bieten die Länder neben der vollzeitschulischen Regelausbildung weitere Ausbildungsmodelle an: in Teilzeit oder berufsbegleitend, mit und ohne Anstellungsvertrag in einer Einrichtung. Ein hohes Rekrutierungspotenzial wird, in Anlehnung an die duale Berufsausbildung, in der organisierten vergüteten, praxisintegrierten Ausbildung (PIA) gesehen, die 2018 in sechs Ländern angeboten wurde. In diesen Ländern waren die Schülerinnen- und Schülerzahlen im ersten Jahr aufgrund der neuen Formate im Zeitverlauf insgesamt stabiler.

  • Weiterer Bedeutungszuwachs der Sozialassistenzausbildung

Die an Berufsfachschulen ausgebildeten Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger sind mit 11 Prozent des pädagogischen und leitenden Personals die zweitgrößte Berufsgruppe nach den Erzieherinnen und Erziehern. Die ebenfalls dort ausgebildeten Sozialassistentinnen und -assistenten machten 2018 bundesweit zwar nur 2 Prozent aus, dennoch hat sich ihre Zahl seit 2006 beinahe versiebenfacht. Die Ausbildung im Bereich Kinderpflege, die sich vorwiegend an Hauptschulabgänger und -abgängerinnen richtet, verliert dagegen an Bedeutung. Sie wurde 2018 nur noch in sieben Bundesländern angeboten. Demgegenüber wird die Sozialassistenzausbildung, die überwiegend einen Mittleren Schulabschluss voraussetzt und in vielen Ländern als Vorstufe für die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung gilt, in 13 Ländern angeboten. Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Kinderpflegeausbildung hat sich in den vergangenen Jahren stabil bei etwa 5.500 eingependelt. Die Sozialassistenzausbildung haben im Schuljahr 2016/17 gut 15.000 Personen abgeschlossen und damit knapp 4.000 mehr als im Schuljahr 2007/08. Da jedoch die an Berufsfachschulen ausgebildeten Kräfte nicht in allen Ländern anschließend als reguläre Fachkräfte oder Ergänzungskräfte anerkannt werden, ist die Bedeutung der Sozialassistenzausbildung als eigenständiges Ausbildungsformat für die Frühe Bildung vergleichsweise gering.

  • Kindheitspädagogische Studiengänge: mehr Master und grundständige Angebote

Die auf das Arbeitsfeld Kita zugeschnittenen früh- bzw. kindheitspädagogischen Studiengänge befinden sich in einer Stabilisierungsphase: Seit 2014 gibt es bundesweit rund 70 Bachelor-Studiengänge. 2017 nahm ein Höchstwert von knapp 3.500 Studierenden ein Bachelor-Studium der Kindheitspädagogik auf. Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen liegt seit 2015 bei etwa 2.400 pro Jahr. Anders als in den Anfangsjahren nach 2007 setzen mittlerweile drei Viertel der Angebote keine einschlägige Berufsausbildung voraus. Ein Ausbau fand im Bereich der Masterstudiengänge statt. Ihre Zahl hat sich innerhalb von zehn Jahren von einem auf 13 erhöht. Auch wenn Kindheitspädagoginnen und -pädagogen innerhalb des akademisch qualifizierten Personals in Kindertageseinrichtungen den größten Zuwachs verzeichnen, verfügt das Gros der knapp 34.600 einschlägig qualifizierten Akademikerinnen und Akademiker immer noch über einen Abschluss in Sozialpädagogik oder Erziehungswissenschaft. Mit insgesamt 23.700 Absolventinnen und Absolventen haben 2017 mehr Personen denn je einen Abschluss in diesen beiden Fächern vorzuweisen. Diese Studiengänge bieten damit ein oft übersehenes zusätzliches Fachkräftereservoir für die Frühe Bildung.

6. Herausforderungen: ausreichend und vielfältiges Personal finden und halten

Die Autorinnen und Autoren der Studie weisen auch auf Herausforderungen im Bereich Frühe Bildung hin.

  • Personen mit unterschiedlichen Qualifikationsniveaus gewinnen

Um ihr Angebot weiter auszubauen und qualitativ zu verbessern, stehe die Frühe Bildung vor der Herausforderung, neben dem gängigen Fachkräfteprofil – Frauen mit einer Ausbildung als Erzieherin – weitere Personengruppen zu rekrutieren und langfristig zu binden. Seit 2006 ist die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler, die das allgemeinbildende Schulsystem verlassen, um 12 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig werden dabei höhere Schulabschlüsse erreicht: 2016 haben 41 Prozent der jungen Menschen das allgemeinbildende Schulsystem mit einer Hochschulzugangsberechtigung verlassen. Somit schrumpft das Potenzial für die klassischen frühpädagogischen Ausbildungen, die überwiegend einen mittleren Schulabschluss voraussetzen. Auch der Übergang vom Ausbildungssystem in den Teilarbeitsmarkt Frühe Bildung erweist sich als Hürde: Der Übergang ist tarif- und landesrechtlich stark reguliert, aber kaum hierarchisch gegliedert. Absolventinnen und Absolventen von Berufsfachschulen können nicht überall in das Berufsfeld einmünden und Personen mit Hochschulabschluss finden in aller Regel keine Stelle, die ihrem Abschluss entspricht.

  • Männeranteil erhöhen

Obwohl der Anteil der Männer in allen Ausbildungsgängen der Frühen Bildung steigt, münden immer noch zu wenige von ihnen in das Arbeitsfeld der Frühen Bildung. Nach Ansicht der Autorinnen und Autoren tragen dazu Geschlechterklischees bei, nach denen Care-Tätigkeiten bzw. die Arbeit mit jungen Kindern Frauensache sei. In einer stärkeren Strukturierung des Arbeitsfeldes mit unterschiedlichen Stellenprofilen für die verschiedenen Qualifikationsstufen und die Etablierung von horizontalen wie vertikalen Karrieremöglichkeiten würde eine Chance liegen, die Tätigkeit in der Frühen Bildung für breitere Zielgruppen attraktiv zu machen.

  • Ganztägige verlässliche Betreuung von Grundschulkindern ausbauen

Nach dem Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt liegt der politische Fokus nun auf einem weiteren Rechtsanspruch: auf der Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter, der bis 2025 verwirklicht werden soll. Bereits in den vergangenen Jahren ist das Angebot ausgeweitet worden. 2017/18 nutzten 1,5 Millionen und damit rund die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler Ganztagsangebote im Grundschulalter an Schulen und in Horten bzw. Kindertageseinrichtungen. Die Anzahl der Kinder in Ganztagsschulen hat sich zwischen 2006 und 2017 bundesweit um 808.000 (+202%) erhöht. In Kindertageseinrichtungen gab es im gleichen Zeitraum lediglich einen Zuwachs um 138.000 (+41 Prozent). Insgesamt waren etwa 90.000 Beschäftigte in Bildungs- und Betreuungsangeboten für Grundschulkinder tätig. Im Fall eines Rechtsanspruchs müsste ihre Zahl noch deutlich ausgeweitet werden.

  • Beschäftigungsbedingungen im schulischen Ganztag verbessern

Die Autorinnen und Autoren machen deutlich, dass bei schulischen Angeboten bereits jetzt die schlechten Arbeitsbedingungen als Hemmschuh für die Personalgewinnung erweisen: 72 Prozent der Stellen werden in Teilzeit angeboten, davon 13 Prozent mit einem Umfang von weniger als zehn Stunden pro Woche. Die Befristungsquote liegt bei 20 Prozent. Während die Beschäftigen in Horten tariflich bezahlt werden, gebe es wenig Informationen über die Vergütung der Beschäftigten in schulischen Ganztagsangeboten. Dementsprechend unattraktiv sei die Tätigkeit dort für gut ausgebildete Kräfte: 13 Prozent der Beschäftigten verfügen über keinen Berufsabschluss. Bei einem weiteren Ausbau würden die verbesserungswürdigen Beschäftigungsbedingungen sowie die Qualität von Bildung und Betreuung am Nachmittag einmal mehr zum Kernproblem werden.