Fachpublikation

Bildung ist Gemeinschaftsaufgabe

Thema

Beitrag von Stiftungen zu einem kommunalen Bildungsmanagement

Herausgeberschaft

Sabine Süß, Stiftungsverbund Lernen vor Ort c/o Bundesverband Deutscher Stiftungen

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2015

Stiftungsengagement

Zahlreiche Stiftungen (Stiftungsverbund Lernen vor Ort), Bundesverband Deutscher Stiftungen

Literaturangabe

Sabine Süß, Stiftungsverbund Lernen vor Ort c/o Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.): Bildung ist Gemeinschaftsaufgabe. Stiftungen und ihr Beitrag zu einem kommunalen Bildungsmanagement. Lernen vor Ort – Erfahrungsberichte und Erfolgsgeschichten. Berlin 2015.

Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise

Die Publikation dokumentiert die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Programm „Lernen vor Ort“ (2009 bis 2014) als eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit deutschen Stiftungen. Zwischen 2009 und 2014 wurden Kreisen und kreisfreien Städten die erforderlichen Rahmenbedingungen geboten, um ein kohärentes kommunales Bildungsmanagement zu entwickeln und zu verstetigen.

Das Programm war ein zentraler Bestandteil der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung „Aufstieg durch Bildung“ und wurde aus Mitteln des BMBF und des Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert. Im Rahmen der Initiative wurden Kommunen und Stiftungen dazu eingeladen, in eine Verantwortungsgemeinschaft zu treten und Bildung vor Ort neu zu organisieren. Stiftungen wurden erstmalig Partner in einem großen Bundesprogramm: An nahezu vierzig Orten entstanden Partnerschaften zwischen Kommunen und Stiftungen, um das Thema Bildung strategisch und datenbasiert vor Ort umzusetzen.

Unter dem thematischen Dach Bildung, verstanden als Lernen entlang des gesamten Lebenslaufs, haben sich Stiftungen in verschiedenen Handlungsbereichen engagiert. Zentrale Bedingung für die Teilnahme der Stiftungen an der Initiative war, dass sie vorrangig nicht als Geldgeber oder als klassische Förderer von Projekten Dritter, gefragt waren, sondern andere Potenziale und Kompetenzen einbrachten, zum Beispiel fachliche Expertise, Netzwerkarbeit, Moderation oder Prozessberatung und -begleitung. Die Stiftungen begleiteten die Kommunen in zwei Arten von Patenschaften: In lokalen „Grundpatenschaften“ unterstützten sie die Kommunen bei der Verwirklichung ihres Bildungsmanagements, in „Themenpatenschaften“ stellten sie ihre Erfahrungen in wichtigen Innovationsfeldern der Bildung zur Verfügung, damit erfolgreiche Modelle in interessierte Regionen transferiert werden konnten.

Die programmbeteiligten Stiftungen haben sich zum Stiftungsverbund Lernen vor Ort zusammengeschlossen, der im Mai 2015 in das Netzwerk Stiftungen und Bildung im Bundesverband Deutscher Stiftungen übergegangen ist, das auch weiterhin die Kooperationsbereitschaft von Bildungsstiftungen auf kommunaler Ebene stärken und den Know-how-Transfer zu unterstützen möchte.

In der Publikation werden die Erfahrungen von fünf Jahren Lernen vor Ort aus Sicht des beteiligten Stiftungsverbundes dargestellt. Dabei wird deutlich, was Stiftungen im Bereich Bildung beitragen können und dass Kooperationen gerade auf lokaler Ebene eine große Bedeutung zukommt.

Wichtige Ergebnisse

Die Bilanz des Programms fällt insgesamt sehr positiv aus: Die Initiative Lernen vor Ort habe in den fünf Jahren der Programmarbeit eine einzigartige Koproduktion lokalen Handelns von Kommunen und Stiftungen ermöglicht und zugleich zu einer der größten themenbezogenen Allianzen von deutschen Stiftungen geführt.

In den beteiligten Kommunen haben sich unterschiedlich verbindliche Formen der Zusammenarbeit mit den Stiftungen entwickelt. Eine zentrale Herausforderung bestand darin, die unterschiedlichen Kulturen von Stiftungen und Kommunen so zusammenzubringen, dass sich eine fruchtbare Zusammenarbeit entwickeln konnte. Dazu wurden Steuerungsrunden etabliert, in denen die Stiftungen zu gleichberechtigten Gesprächspartnern wurden und in die gemeinsame Arbeit eingestiegen werden konnte.

Eine weitere neue Form der Zusammenarbeit betraf die Entwicklung lokaler Stiftungsverbünde, die in den meisten Kommunen von den Stiftungen angestrebt und entwickelt wurden. Die Gestaltung dieser Verbünde reichte von regelmäßigen Treffen an runden Tischen, über gemeinsame Projektentwicklung und Finanzierung bis hin zu Stiftungsverbünden, die sich einen verbindlichen Rahmen mit Selbstverpflichtungen gegeben haben.

Die Stiftungsverbünde und ihre Stiftungen wählten eine Sprecherstiftung aus, die im sogenannten Nationalen Stiftungsverbund Lernen vor Ort in einer Kerngruppe die Stiftungen und ihre Grundpatenschaft vertreten sollte. Dazu trafen sich die Stiftungen im Nationalen Stiftungsverbund zweimal jährlich zu einem fachlichen Austausch, jeweils an einem anderen Ort der an der Initiative beteiligten Kommunen. Auf diese Weise konnten die Stiftungen mehr über die anderen Stiftungen und ihre Arbeit erfahren, Fachfragen erörtern und klären, aber auch strategische Fragen diskutieren. Damit der Stiftungsverbund mit seinen unterschiedlichen Stiftungen sich nach außen repräsentativ vertreten konnte, wurde ein Sprecherkreis etabliert, der sich aus rund acht Stiftungen zusammensetzte, die möglichst auch die Vielfalt des Stiftungsverbundes abbilden konnten.

Im Zentrum allen Engagements der Stiftungen in ihren Kommunen stand die Kooperation untereinander wie auch mit anderen Partnern vor Ort, zum Beispiel mit weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren, der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern, den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern, Wirtschaftsverbänden und -unternehmen und freien Trägern. Um diese Allianzen und Verbindungen verbindlich und dauerhaft qualitätsvoll gestalten zu können, wurde die Koordination solcher Partnerschaften zu einem wesentlichen Bestandteil für die erfolgreiche Zusammenarbeit.

Auf lokaler Ebene in den kommunalen Verwaltungen wurde diese koordinierende Funktion zum Teil über die Bildungsbüros und auf Leitungsebene in Steuerungsrunden oder auch in Bildungsbeiräten angesiedelt. Entsprechend wurde auf übergeordneter Ebene von Anfang an eine Geschäftsstelle für den Stiftungsverbund eingerichtet, die alle an dem Programm beteiligten Stiftungen kontinuierlich begleitete. Die Geschäftsstelle hat die Stiftungen zum Beispiel bei der Einrichtung lokaler Stiftungsverbünde beraten, aber auch „Übersetzungsarbeit“ zwischen Stiftungen und kommunalen Akteuren geleistet. Zudem war sie die Schnittstelle zwischen den Stiftungen und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

In der rückblickenden Bewertung wird deutlich, dass einige Ziele der gemeinsamen Initiative – wie die „qualitative und quantitative Verbesserung der Angebotsstrukturen im Sinne einer stärkeren Nutzerorientierung“ und die „Verbesserung der Transparenz“ – auch unmittelbare Auswirkungen auf die qualitative Bewertung und Gestaltung der stiftungseigenen Arbeit hatten. Dazu gehörte, dass die Projektentwicklungen bewusster auf den vorhandenen Bedarf ausgerichtet wurden und der Bezug zum Sozialraum in den Fokus rückte, Abstimmungen mit anderen Stiftungen vor Ort stattfanden oder auch Prozesse der Begleitung von Förderprojekten enger verzahnt angelegt worden sind. Zudem nahm die Bereitschaft der Stiftungen, mit Partnern zusammenzuarbeiten, auf verschiedenen Ebenen immer mehr zu.

Eine zentrale Erkenntnis aus der Initiative Lernen vor Ort lautet: Bildung ist Gemeinschaftsaufgabe. Erst dort, wo Bund, Länder und Kommunen, öffentliche Hand, Unternehmen und Zivilgesellschaft, Schule, Eltern und Jugendhilfe, frühkindliche Bildung, Schule und Weiterbildung professionell vor Ort kooperieren und die Leitung diese Zusammenarbeit unterstützt, können effektive und zeitgemäße Rahmenbedingungen für Bildung entstehen. Zudem haben bildungspolitische Ziele offenbar nur dann eine Chance auf Realisierung, wenn sie nach Bildungs- und Sozialmonitoring faktenbasiert, partizipativ und gemeinschaftlich gesetzt werden.