Alle Jugendlichen in Ausbildung bringen – wie geht das?
- Handlungsfeld
- Bildungssystem
- Bildungsabschnitt
- Berufliche Bildung
- Übergang Schule-Beruf
Thema
Berufsbildung für Jugendliche
Herausgeberschaft
Bertelsmann Stiftung (Hg.)
Autoren/Autorinnen
Claudia Burkard/Dieter Euler/Naemi Härle/Eckart Severing
Erscheinungsort
Gütersloh
Erscheinungsjahr
2019
Stiftungsengagement
Bertelsmann Stiftung
Literaturangabe
Claudia Burkard/Dieter Euler/Naemi Härle/Eckart Severing: Alle Jugendlichen in Ausbildung bringen – wie geht das? Bedingungen und Gestaltung ergänzender, öffentlich geförderter Ausbildung. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2019.
Ziel, Fragestellung, Vorgehensweise
Ausgangspunkt ist, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit haben sollen, eine Ausbildung zu absolvieren, da darüber über Berufs- und Lebenschancen entschieden wird. Allerdings befänden sich immer noch eine große Gruppe von jungen Erwachsenen im Übergangssystem, wo sie keine beruflichen Abschlüsse erwerben können. Hier absolvierten sie Maßnahmen, aus denen vielen erst nach langer Zeit ein Wechsel in eine Berufsausbildung gelingt. Jedes Jahr blieben ca. 100.000 junge Menschen dauerhaft ohne Berufsabschluss, die sehr schlechte Beschäftigungschancen haben. Es sei davon auszugehen, dass künftig die Folgen von Automatisierung und Digitalisierung dieses Problem weiter verschärfen werden: Für Beschäftigte mit einer geringen Qualifikation sei die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Tätigkeit automatisiert wird, besonders hoch – und damit auch das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes. Viele Studien zur Zukunft der Arbeit hätten eine Erkenntnis gemeinsam: Die Zukunft für Beschäftigte mit geringen Qualifikationen werde noch schlechter sein als in der Gegenwart. Umso dringlicher sei das Ziel von Berufsbildung, jedem jungen Menschen die Chance auf einen Berufsabschluss zu geben.
In vorliegender Veröffentlichung werden auf der Grundlage eines Rahmenkonzepts zentrale Gestaltungselemente ergänzender, öffentlich geförderter Ausbildungsstellen skizziert und mit bereits umgesetzten Beispielen aus der Praxis illustriert. In Unterkapiteln wird erläutert,
- für welche Jugendlichen eine öffentlich geförderte Ausbildung in Frage kommt,
- wie das Ausbildungsangebot gestaltet sein sollte, damit Übergänge in die betriebliche Ausbildung gelingen können,
- welche Ausbildungsberufe im Rahmen der öffentlich geförderten Berufsausbildung angeboten werden sollen,
- welche Einrichtungen als Bildungsträger fungieren können und
- wie die Nachrangigkeit der geförderten Ausbildung gegenüber der betrieblichen Ausbildung sichergestellt werden kann.
Das Ziel des vorliegenden Konzeptpapiers ist es, die zentralen Gestaltungsfaktoren ergänzender, öffentlich geförderter Ausbildungsstellen auf der Basis bisher vorliegender Erfahrungen zu skizzieren.
Wichtige Ergebnisse
Wichtige Ergebnisse
Die Autor*innen konstatieren einen Handlungsbedarf am Ausbildungsmarkt:
- Viele Ausbildungsplatzsuchende bleiben ohne Ausbildungsvertrag und landen im Übergangssektor. Nur etwa die Hälfte von ihnen mündet nach einer Maßnahme (43 Prozent) oder mehreren Maßnahmen (8 Prozent) im Übergangssektor in eine duale Ausbildung ein. Weitere 11 Prozent finden eine Ausbildung im Schulberufssystem. Im Ergebnis zeigt sich: Knapp 40 Prozent bzw. ca. 120.000 Jugendliche haben auch nach dem Durchlaufen einer oder mehrerer Maßnahmen keine Ausbildung aufgenommen (AGBB 2018). Diese Gruppe junger Erwachsener ströme jährlich ohne Berufsausbildung in das Beschäftigungssystem ein und addiere sich zu einer seit Jahren relativ stabilen Zahl von mehr als 1,5 Mio. Menschen in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen auf (14,6 Prozent der Altersgruppe). Ohne Ausbildung nehmen diese jungen Menschen oft eine häufig prekäre Beschäftigung auf (BIBB 2018).
- Angesichts von etwa 57.700 offenen Ausbildungsstellen im Jahr 2018 würde das Angebot also dennoch bei Weitem nicht reichen, um alle jungen Ausbildungssuchenden mit einem Ausbildungsplatz zu versorgen. Auch in den nächsten Jahren sei nicht davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Ausbildungsstellen durch eine hinreichende Zahl an betrieblichen Ausbildungsplätzen gedeckt werden kann.
- Befragungen von Betrieben nach den Gründen für die stagnierende Ausbildungsbeteiligung kommen zu dem Ergebnis, dass ein großer Teil der Unternehmen der Ansicht ist, dass viele der Bewerber*innen die erforderlichen Anforderungen nicht erfüllen (z.B. schlechte Schulnoten in ausbildungsrelevanten Fächern, Fehlen von notwendigen sprachlichen oder sozialen Kompetenzen, vgl. DIHK 2018). Daher müssten die Jugendlichen auch außerhalb der betrieblichen Ausbildung qualifiziert werden, um sie dann kontinuierlich und besser vorbereitet in die Betriebe zu überführen.
- Auch werden Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt gesehen (Mismatch zwischen offenen Ausbildungsstellen und Bewerber*innen, z.B. durch regionale Disparitäten oder Berufswünsche).
Rahmenkonzept für eine öffentlich geförderte Berufsausbildung
Öffentlich geförderte Ausbildung könne aufgrund der spezifischen Bedingungen in den Bundesländern, Regionen, Branchen und Berufen unterschiedlich ausgestaltet werden. Das Rahmenkonzept bleibe davon allerdings unberührt.
Die reguläre Ausbildung (vollzeitschulisch und dual) könnte auf folgende Weise durch eine öffentlich geförderte Ausbildung ergänzt werden:
Der Regelfall sollte bleiben, dass ausbildungsinteressierte Jugendliche nach dem Erwerb eines allgemeinbildenden Schulabschlusses bei erfolgreicher Bewerbung in die duale (bzw. vollzeitschulische) Ausbildung übergehen. Ergänzend sollte den Jugendlichen, deren Bewerbungsversuche nachweislich erfolglos geblieben sind, eine öffentlich geförderte Ausbildung ermöglicht werden. Die Feststellung eines besonderen individuellen Förderbedarfs sei dafür nicht erforderlich. Die öffentlich geförderte Ausbildung sollte das erste Ausbildungsjahr abdecken. Neben dem obligatorischen Berufsschulunterricht könnten auch Praxisphasen in Betrieben absolviert werden. Der Übergang in eine reguläre betriebliche Ausbildung werde spätestens nach dem ersten Ausbildungsjahr angestrebt. Damit dies auch gelingen könne, seien Begleitung und Beratung für alle Jugendlichen in der öffentlich geförderten Ausbildung durch einen Bildungsträger konstitutiv. Bei Jugendlichen mit Förderbedarf und für Betriebe, die diese anschließend aufnehmen, sollte eine kontinuierliche pädagogische Unterstützung erfolgen. Wenn der Übergang in eine betriebliche Ausbildung nach einem Jahr nicht gelinge, werde ein weiterer Weg bis zum anerkannten Ausbildungsabschluss sichergestellt. Der Übergang in reguläre Ausbildung sollte jedoch jederzeit möglich und auch Ziel der Arbeit der Bildungsträger sein.
Folgende grundlegende Merkmale für das Rahmenkonzept der ergänzenden, öffentlich geförderten Ausbildung sollten sich in allen Umsetzungen wiederfinden:
- Die öffentlich geförderte Ausbildung bezieht sich zunächst auf das erste Ausbildungsjahr, in dem bereits entlang der jeweiligen Ordnungsgrundlagen für diesen Beruf (Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrpläne) ausgebildet wird.
- Nach diesem ersten Ausbildungsjahr erfolgt im Regelfall der Übergang in eine betriebliche Ausbildung, der durch entsprechende Vereinbarungen mit der Wirtschaft flankiert werden kann. Für die Jugendlichen, bei denen dieser Übergang dann und auch im weiteren Verlauf nicht gelingt, soll sichergestellt sein, dass sie einen anerkannten Ausbildungsabschluss im Rahmen der öffentlich geförderten Ausbildung oder vollzeitschulisch erreichen können.
- Förder- und Anreizsysteme für Jugendliche, Betriebe und Bildungsträger werden so ausgestaltet, dass positive Anreize für den Übergang in eine betriebliche Ausbildung bereits während des ersten Ausbildungsjahres bestehen.
- Auch wenn kein betriebliches Ausbildungsverhältnis besteht, werden betriebliche Praxisphasen durchgeführt, die ein authentisches Berufsumfeld sichern und gute Grundlagen für einen Übergang in die betriebliche Ausbildung schaffen.
- Für Jugendliche und Betriebe stehen kontinuierliche Beratung und Begleitung durch die Bildungseinrichtung zur Verfügung, die insbesondere betriebliche Praxisphasen anbahnen und unterstützen sowie individuelle Möglichkeiten des Wechsels in eine betriebliche Ausbildung ermöglichen.
- Bei besonderem Bedarf werden individuelle Förderangebote in die Ausbildung integriert.
Für welche Jugendlichen käme eine öffentlich geförderte Ausbildung infrage?
Die ergänzende, öffentlich geförderte Ausbildung richtet sich an Jugendliche, die sich bewusst für eine Berufsausbildung entschieden haben, jedoch keinen Erfolg bei der Bewerbung um einen betrieblichen Ausbildungsplatz hatten. Anders als bei Maßnahmen der Berufsvorbereitung werden keine individuellen Förderbedarfslagen vorausgesetzt.
Unter dieser Voraussetzung ist davon auszugehen, dass als Teilnehmer*innen insbesondere solche Jugendliche in Betracht kommen, die derzeit in Übergangsmaßnahmen einmünden. Ihre schulische Vorbildung kann ein breites Spektrum umfassen. Zugleich ist ihr Unterstützungsbedarf im kognitiven, insbesondere aber auch im sozial-emotionalen oder sprachlichen Bereich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Daraus resultiert, dass eine öffentlich geförderte Berufsausbildung sowohl Jugendliche ohne Unterstützungsbedarf anspricht als auch solche, die besondere Förderangebote innerhalb der Ausbildung benötigen.
Wie müsste das Ausbildungsangebot gestaltet sein, damit die Übergänge in die betriebliche Ausbildung gelingen?
Ziel ist es, dass die Teilnehmer*innen spätestens nach dem ersten Ausbildungsjahr in Betriebe übergehen. Dafür seien mehrere Elemente der öffentlich geförderten Ausbildung unabdingbar:
- Die inhaltliche und didaktische Qualität der öffentlich geförderten Ausbildung darf sich von der betrieblichen Ausbildung nicht unterscheiden. Das wird dadurch gewährleistet, dass die Ordnungsmittel respektive curricularen Vorgaben der anerkannten Berufe konzeptionell beachtet und sorgfältig umgesetzt werden.
- Die in der ergänzenden, öffentlich geförderten Ausbildung erworbenen Kompetenzen sollten bei einem Übergang in betriebliche Ausbildung angerechnet werden können.
- Auch Kompetenznachweise – mit denen die individuellen Lernleistungen der einzelnen Teilnehmer*innen im ersten Ausbildungsjahr dokumentiert werden – könnten den Übergang in eine betriebliche Berufsausbildung erleichtern.
- Die Praxisphasen im ersten Ausbildungsjahr sollten möglichst in Betrieben erfolgen, die für eine Übernahme in Betracht kommen.
Übergänge können durch monetäre Anreize für übernehmende Betriebe zusätzlich gefördert werden, z. B. durch Zuzahlungen zur Ausbildungsvergütung in der Probezeit des betrieblichen Ausbildungsverhältnisses. Dies sei jedoch bildungspolitisch problematisch. Der Übergang zur öffentlichen Finanzierung betrieblicher Ausbildung sei unbedingt zu vermeiden.
3. Welche Ausbildungsberufe sollten im Rahmen der öffentlich geförderten Berufsausbildung angeboten werden?
Eine wesentliche Grundlage für die Bestimmung von Ausbildungsberufen im Rahmen einer öffentlich geförderten Ausbildung bildet eine Abschätzung des regionalen Fachkräftebedarfs sowie die Nachfrage nach Ausbildungsberufen seitens der Schulabsolvent*innen. Als Datenquellen könnten insbesondere Entwicklungsprognosen zu regionalen Wirtschaftsräumen, Arbeitsmarktanalysen und Analysen zur Altersstruktur von Fachkräften in bestimmten Branchen/Regionen dienen. Für die Ab- und Einschätzung der Ausbildungsstellennachfrage könnten aggregierte Daten aus der Schulstatistik, der Studien- und Berufsberatung sowie Aussagen über die Berufswünsche unversorgter Schulabgänger der Vorjahre genutzt werden. Aus den vorliegenden Daten ließen sich auf regionaler/kommunaler Ebene Aussagen über den Fachkräftebedarf sowie die Zahl und die Präferenzen von Ausbildungssuchenden generieren. Diese erlaubten Zuordnungen und zeigten mögliche Angebotslücken, die durch eine öffentlich geförderte Ausbildung in bestimmten Berufen kompensiert werden können.
Solche Daten könnten eine Entscheidungsgrundlage bieten, bedürften in der Regel jedoch weiterer Interpretationen. Dabei sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
- In Berufen mit vielen unbesetzten betrieblichen Ausbildungsstellen in der Region sollten keine öffentlich geförderten Ausbildungsstellen geschaffen werden.
- Es sollte geprüft werden, inwieweit in dem jeweiligen Beruf Betriebe bereit sind, die Auszubildenden nach dem ersten Ausbildungsjahr zu übernehmen und ihre Ausbildung fortzuführen.
- Es sei zu prüfen, inwieweit öffentlich geförderte Ausbildungsangebote durch einen Fachverband, eine Innung o. Ä. unterstützt werden. Bei der Auswahl von geeigneten Ausbildungsberufen sollten regionale Institutionen der Wirtschaft (Kammern, Branchenverbände, Gewerkschaften) beteiligt werden.
4. Wer sollte als Bildungsträger fungieren?
Als Träger einer öffentlich geförderten Ausbildung kommen vor allem solche Bildungsinstitutionen in Betracht, die schon als duale Partner in der betrieblichen Ausbildung oder in Berufsvorbereitungsmaßnahmen tätig waren und über Erfahrungen mit der Ausbildung insbesondere benachteiligter Jugendlicher verfügen: Berufsschulen, Bildungsträger und überbetriebliche Ausbildungseinrichtungen.
5. Wie wird die Nachrangigkeit der öffentlich geförderten Ausbildung sichergestellt?
Vielfach werden Befürchtungen geäußert, Betriebe könnten sich angesichts einer ergänzenden, öffentlich geförderten Ausbildung verstärkt aus der Ausbildungsverantwortung zurückziehen und Jugendliche könnten ihre Bewerbungsbemühungen um einen betrieblichen Ausbildungsplatz minimieren. Um die Nachrangigkeit sicherzustellen, sollten daher bestimmte Anforderungen erfüllt sein.
- Bedingungen für Jugendliche: Als eine Teilnahmebedingung für die Jugendlichen sollte der Nachweis gefordert werden, dass engagierte Bewerbungen um einen betrieblichen Ausbildungsplatz erfolglos geblieben sind. Die Ausbildungsvergütungen sollten bei der öffentlich geförderten Ausbildung geringer aus- oder ganz entfallen. In der Regel seien verbindliche Beratungsgespräche das geeignete Format, um die Zugänge zu einer öffentlich geförderten Ausbildung zu regeln.
- Bedingungen für Betriebe: Wenn die Jugendlichen ihre Praxisphasen in wechselnden Betrieben absolvieren, könne zwar eine berufliche, aber keine betriebliche Sozialisation erfolgen. Dies könnte aus Sicht der Betriebe ein Anreiz sein, einen Jugendlichen schnell in ein reguläres Ausbildungsverhältnis zu übernehmen.
- Bedingungen für Bildungsträger: Für Bildungsträger könnte eine degressive Finanzierung der öffentlich geförderten Ausbildung nach dem ersten Jahr sowie ein Prämienmodell bei erfolgreichem Übergang in betriebliche Ausbildung ein wirksamer Anreiz sein, ihre Teilnehmer*innen möglichst schnell in eine betriebliche Ausbildung zu vermitteln.
Die Autorinnen und Autoren ziehen folgende Konsequenzen aus dieser Situation:
- Es sei wichtig, die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. Es müsse dafür gesorgt werden, die betriebliche Ausbildungsbereitschaft zu erhalten und zu stärken – nicht zuletzt in Berufen, in denen Nachfrageüberhänge bestehen. Soweit das betriebliche Ausbildungsangebot dauerhaft nicht ausreicht und der Abbau des hohen Bestands an Altbewerbern weiterhin nicht gelingt, müssten nachrangige, öffentlich geförderte Ausbildungsverhältnisse hinzutreten – in einzelnen Berufen und einzelnen Regionen sowie abgestimmt mit der Wirtschaft, damit die Angebote bedarfsgerecht sind.
- Eine nachrangige, öffentlich geförderte Ausbildung würde dazu beitragen, ausreichend Nachwuchs von qualifizierten Fachkräften sicherzustellen. Daher seien besonders die Bundesländer aufgerufen, solche Modelle umzusetzen, in denen eine große Zahl von Ausbildungsbewerber*innen statt in eine Ausbildung in Übergangsmaßnahmen einmündet.
- Ziel sollte eine Kombination von betrieblicher Ausbildung mit einer öffentlich geförderten Ausbildung sein, in der zum Beispiel das erste Ausbildungsjahr öffentlich finanziert und organisiert wird.
- Eine Herausforderung in der Gestaltung öffentlicher Förderprogramme ist die Vermeidung von Mitnahme- oder Verdrängungseffekten. Es bestehe die Gefahr, dass Betriebe sich der Ausbildungsverantwortung entziehen, wenn der Staat zunächst partiell die Lücken durch öffentlich geförderte Ausbildungsstellen schließt.
Fazit und Überlegungen zur Finanzierung
Die Autor*innen weisen darauf hin, dass die öffentlich geförderte Berufsausbildung kontrovers diskutiert wird. Kritiker*innen würden zum einen auf das Risiko hinweisen, dass diese ergänzenden Ausbildungsangebote die Betriebe aus der Verantwortung zur Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsstellen entließen. Zum anderen komme der Einwand, dass durch entsprechende Angebote die öffentlichen Haushalte (zu sehr) belastet würden. Beide Bedenken seien ernst zu nehmen, erforderten jedoch letztlich eine Abwägung zwischen Risiko und Aufwand auf der einen Seite sowie Nutzen auf der anderen Seite. So sei ordnungspolitisch unbestritten, dass der Staat eine subsidiäre Verantwortung für die Sicherstellung hinreichender Ausbildungsmöglichkeiten besitzt. Diese nehme er durch die finanzielle Förderung in Teilbereichen der Ausbildung (z.B. Berufsschule, überbetriebliche Bildungsstätten, Ausbildungsberatung, assistierte Ausbildung, ausbildungsbegleitende Hilfen) in vielfältiger Weise wahr. Letztlich seien auch die hohen öffentlichen Aufwendungen für die Maßnahmen des Übergangssektors ein Ansatz, die Ungleichgewichte auf dem Ausbildungsmarkt zu kompensieren. Die öffentlich geförderte Berufsausbildung wäre in diesem Kontext nur ein weiteres Instrument der Sicherstellung eines hinreichenden Ausbildungsangebots. Die öffentlich geförderten Ausbildungsplätze würden die öffentlichen Haushalte zwar stärker als betriebliche Ausbildungsplätze belasten, doch zeige ein differenzierter Blick, dass weniger die Aufwendungen selbst als vielmehr die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern eine Herausforderung darstelle. Die Ausführungen in der Publikation zeigten, dass ein solcher Weg der öffentlichen Ausbildungsfinanzierung positive Folgen hätte. Ihre Umsetzung erfordere jedoch politischen Willen und die politische Vertretungsmacht für eine gesellschaftliche Gruppe, die am stärksten durch Exklusion und Segregation gefährdet sei.